Vielleicht der Beginn einer tierischen Freundschaft

Wittlich · Drei schwarze Plastikschwäne sollen auf dem Sterenbachsee Kormorane davon abhalten, den Fischbestand zu plündern. Viele Menschen halten die Attrappen für echt, ein weißes Schwanenpaar womöglich auch. Ob sich eine trierische Liebesgeschichte anbahnt? Klar ist: Plastikschwäne lieben nicht, echte Artgenossen aber sogar Tretboote.

Wittlich. Fische sind der Grund, warum Wittlich jetzt einen besonderen Schwanensee hat. Er ist 400 Meter lang und 160 Meter breit und heißt natürlich Sterenbachsee. Er liegt zwischen Wengerohr und Wittlich und ist ein beliebtes Ausflugsziel. Drei schwarze Schwäne sind seine neueste Attraktion. Wer ein bisschen kurzsichtig ist oder das Gewässer nicht täglich beobachtet, hält die Attrappen, die sich in der Seemitte verteilen, für echt.
Wie der Spaziergänger, der sagt: "Erst beim zweiten Rundgang ist mir aufgefallen, dass das künstliche Schwäne sein müssen, weil sie immer an denselben Stellen treiben." "Die haben Original-Größe und sind vom Otto-Versand", sagt Hans Comtesse, Vorsitzender des Wittlicher Angelsportvereins: "Viele Spaziergänger merken nicht, dass die aus Plastik sind. Wir hoffen, dass wir mit den Attrappen die Kormorane vertreiben können, die die Fische fressen und jagen. Teilweise waren bis zu 75 Kormorane am See. Der Trick scheint zu funktionieren." Und noch etwas funktioniert: Mit den Plastikschwänen kam auch ein echtes, weißes Schwanenpaar ans Angelgewässer. Hans Comtesse sagt: "Ich habe es jetzt zum ersten Mal gesehen. Vielleicht denkt es, die Schwarzen sind echt. Jedenfalls hatten wir schon ewig keine Schwäne mehr. Nur in den 80er Jahren war mal ein Pärchen hier, denen haben wir extra eine Schwaneninsel gebaut."
An die Kette gelegt


Die schwarzen Schwäne sind ebenfalls eine Sonderkonstruktion: Dass sie so schön weit draußen auf dem Wasser langsam hin- und herziehen, sei ein Werk der freiwilligen Feuerwehr. Norbert Dany, Einheitsführer Wengerohr, sagt: "Ja, wir haben mit drei Mann geholfen, die auf dem Wasser auszubringen." "Das haben die wirklich gut gemacht. Bei denen kann ich mich nur bedanken. Wir haben ja kein eigenes Boot. Die haben eine lange Kette und dann noch ein Gewicht an die Schwäne gemacht, deshalb können die sich auch ein bisschen auf dem See bewegen", sagt Comtesse, der sich über die jetzt fünf Schwäne, drei von Otto, zwei aus der Natur, freut und hofft, dass die 93 Mitglieder des Angelvereins plus die Gastfischer, nun wieder mehr am Haken haben. Immerhin setzt der Verein auch jährlich mehr als 1000 Fische ein. "Schleien, Moderlieschen, Karpfen, Forellen, Rotaugen, auch Zander: meistens im November, bevor der See zufriert. Wir investieren dafür bis zu 7000 Euro im Jahr. Außerdem setzen wir im Frühjahr Glasaale, die wir vom Anglerverband bekommen", sagt Hans Comtesse. Er selbst hat zuletzt Forellen gefangen. Aber der 62-jährige Wittlicher sagt auch: "Ich bin nicht so aufs Angeln aus, ich esse ja auch keine Fische. Mir geht es um die Natur. Ich bin fast jeden Tag am See." Und dann hat er auch die Vögel im Blick. Neben den Schwänen gibt es weitere Neulinge: "Jetzt habe ich noch ein Paar Nilgänse gesehen. Vielleicht bleiben die ja auch."
Extra

... Dr. Heinrich Weitz Der 59-jährige Ornithologe aus Enkirch ist der Experte, wenn es um heimische Vögel geht. TV-Redakteurin Sonja Sünnen hat ihn befragt. Inwieweit kann es aus Ihrer Kenntnis heraus Sinn machen, mit Schwarzstorch-Attrappen zu versuchen, Kormorane vom Fischfang abzuhalten? Heinrich Weitz: Über die abschreckende Wirkung von Plastikattrappen wird immer wieder berichtet. So findet man auch auf zahlreichen Wohnhäusern die Plastikattrappen von Krähen, die andere Krähen fernhalten sollen. Langfristig zeigt sich jedoch kein durchschlagender Erfolg. Es setzt eher bei den wilden Krähen ein Gewöhnungseffekt ein. Bezüglich der Kormorane auf dem See scheinen nach meinem Dafürhalten auch nicht die Plastikschwäne die Ursache für das Fernbleiben der Kormorane zu sein: Die Arten sind sich untereinander nicht feindlich gesinnt und auch keine Nahrungskonkurrenten, sondern die derzeitige Brutzeit. In unserem Raum, ich beobachte dies an der Staustufe Enkirch, sind derzeit nur noch vereinzelt Kormorane anzutreffen und meist nur Einzelvögel - im Vergleich zu Trupps von 60 und mehr Tieren in den Wintermonaten. Kormorane sind ja teils umstritten. Immer wieder wird gefordert, sie müssten abgeschossen werden dürfen: Was halten Sie von diesen Fischjägern? Weitz: Der Abschuss von Kormoranen wird immer wieder gefordert, verstärkt von Seiten der Angler, die massive Eingriffe in die Fischbestände befürchten. Bestandsregulierungen mit der Waffe sind immer problematisch. Sie forcieren die Kormorane dazu, an andere Gewässer - ohne Jagddruck - auszuweichen, wo dann der Beutedruck noch verstärkt wird. Ich denke vielmehr, dass wir doch froh sein sollten, dass die Kormoranbestände wieder zugenommen haben - wobei das Maximum der Bestandsentwicklung wohl bereits erreicht ist -, da dies doch auch ein Indikator dafür ist, dass unsere Flüsse wieder sauberer geworden sind und damit das Nahrungsangebot in Form von Fischen zugenommen hat. Inwieweit kann es tatsächlich sein, dass die schwarzen Plastikschwäne ein echtes weißes Schwanenpaar angelockt haben? Weitz: Dass die schwarzen Schwäne weiße anlocken, ist nicht gänzlich auszuschließen. Man bleibt schließlich in der Familie. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an einen schwarzen Schwan auf dem Aasee in Münster, der sich in ein Tretboot ,verliebt\\' hatte und diesem ständig folgte.

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