Vision: Neue Verbandsgemeinde unter Hochmoselbrücke

Traben-Trarbach/Kinheim · Sie sind erfahrene Politiker und der Region verbunden. Auch wenn sie politisch in unterschiedlichen Lagern - CDU und Bündnis 90/Die Grünen - stehen, eint sie die Zuneigung zu ihrer Heimat, dem Moselort Kinheim. Daher nehmen Dietmar Rieth, lange Jahre Abgeordneter im Landtag, und Alfred Beth, der Staatsminister in Mainz war, im TV-Gespräch mit den Redakteuren Clemens Beckmann und Hans-Peter Linz Stellung zur Kommunalreform. Ihr größter Wunsch: eine Kommune, die vom Hochmoselübergang profitiert.

 Dietmar Rieth (links) und Alfred Beth wollen die VG-Grenzen neu ziehen. Sie plädieren für eine Mittelmosel-Verbandsgemeinde von Reil bis Zeltingen-Rachtig (untenstehende Grafik). TV-Foto: Hans-Peter Linz; TV-Grafik: birgit keiser

Dietmar Rieth (links) und Alfred Beth wollen die VG-Grenzen neu ziehen. Sie plädieren für eine Mittelmosel-Verbandsgemeinde von Reil bis Zeltingen-Rachtig (untenstehende Grafik). TV-Foto: Hans-Peter Linz; TV-Grafik: birgit keiser

Traben-Trarbach/Kinheim. In diesem Jahr sollen mehrere Verbandsgemeinden in Rheinland-Pfalz zusammengelegt werden. Das soll per Landesgesetz geschehen. Einer der Hauptgründe dieser Kommunalreform ist die Anpassung der politischen Aufteilung an den demografischen Wandel.
Manche Verbandsgemeinden haben aus Sicht der Landesregierung in Mainz nicht genug Einwohner, um weiter zu bestehen. Im Landkreis Bernkastel-Wittlich sollen Manderscheid mit Wittlich-Land und Kröv-Bausendorf mit Traben-Trarbach fusionieren.Kommunal reform


Diese Pläne stoßen aber auf Widerstand (der TV berichtete mehrfach). Sowohl in Kröv-Bausendorf als auch in Manderscheid gibt es heftige Kritik an diesen Plänen. Zwei in Kinheim (VG Kröv-Bausendorf) aufgewachsene Politiker, Alfred Beth und Dietmar Rieth, die inzwischen nicht mehr im Landtag sind, haben sich an die TV-Redaktion gewendet. Sie treten dafür ein, den Fusionsprozess zu stoppen und neu zu justieren.

Wie kamen Sie dazu, sich an die Öffentlichkeit zu wenden, zumal Sie aus unterschiedlichen politischen Lagern - dem der CDU und dem der Grünen - stammen?
Beth: Wir stammen beide aus der Moselgemeinde Kinheim und die emotionalen Bindungen zum Heimatdorf sind bis heute geblieben.
Rieth: Wir haben uns dann im Klub der ehemaligen Landtagsabgeordneten abgesprochen, ob wir nicht etwas zur Kommunalreform sagen sollten.

Wie sehen Sie die bevorstehende Kommunalreform?
Beth: 1969 war ich als junger Beamter im Innenministerium beschäftigt und habe damals die erste Kommunalreform miterlebt. Kohls großer Verdienst war es damals, mit der Opposition eine gemeinsame Plattform zu finden. Es war das Bemühen um eine gemeinsame Lösung spürbar. Das gelingt derzeit offenbar nicht.
Rieth: Wir sind beide als ehemalige Landtagsmitglieder tief in dem Thema engagiert gewesen - auch durch unsere langjährigen kommunalpolitischen Tätigkeiten - und trauen uns zu, zu wissen, was Sinn macht. Die Frage der Kommunalreform wird bisher nicht umfassend diskutiert.

Was halten Sie von dem Gesetzentwurf für die Fusion Kröv-Bausendorf/Traben-Trarbach?
Beth: Der Umfang des Gesetzentwurfs steht im Gegensatz zu seiner Qualität. Die Länge des Gesetzentwurfs von 100 Seiten gewährleistet noch keine Qualität des Inhalts.
Rieth: Die Landesregierung will eben zeigen, dass man auf dem Papier alle angehört hat. Aber ansonsten sind die Aussagen und Bewertungen im Gesetz ziemlich blutleer.
Beth: Unstrittig ist, dass eine Reform notwendig ist. Das, was jetzt passiert, sind Insellösungen. Da werden Verbandsgemeinden wie Legosteine zusammengelegt.

Es muss doch potenzielle Partner für zu kleine Verbandsgemeinden geben können?
Beth: Man kann aber nicht einfach zwei Verbandsgemeinden zusammenlegen, nur weil sie eine gewisse Einwohnerzahl nicht erfüllen. Aus zwei schwachen wird nicht zwangsläufig eine starke. Bei einer sinnvollen Reform dürfen zudem Kreisgrenzen kein Tabu sein. Dass das geht, sieht man am Beispiel von Neumagen-Dhron.
Rieth: Es geht nicht nur um die Einwohnerzahl. Eine Kommunalreform muss strukturell ausgerichtet sein und die wirtschaftlichen Perspektiven für die nächsten Jahrzehnte abschätzen. Der Hochmoselübergang hat zum Beispiel Auswirkungen auf die Infrastruktur und die wirtschaftliche Entwicklung.
Dazu gibt es kein Wort in den Stellungnahmen zum Gesetz, von niemandem. Vor der Verabschiedung des Gesetzentwurfs muss man deshalb zunächst eine Regionalentwicklungsplanung unter Einbeziehung der Bevölkerung machen. So ähnlich wie das beim Weltkulturerbe Oberes Mittelrheintal durchgeführt wurde. Möglich wäre zum Beispiel, dann eine Mittelmosel-Verbandsgemeinde von Reil bis Zeltingen-Rachtig beidseits der Mosel als Regionalentwicklungsgebiet zusammenzufassen.
Das wäre als wirtschaftliche, kulturelle und ökologische Region ein Quantensprung, der auch außerhalb der Region für interessierte Unternehmen auf Beachtung stoßen würde. Die Umsetzung dieses Regionalentwicklungskonzeptes sollte dann in einer Bürgerbefragung die Grundlage für den Zusammenschluss bilden.

Was wären die Gründe für eine solche Super-Verbandsgemeinde?
Beth: Die Brücke über die Mosel wird für den Mittelmoselraum Veränderungen bringen. Das muss ein Überdenken der Planungsvorstellungen für den ganzen Raum zwischen Traben-Trarbach und Bernkastel-Kues zur Folge haben.
Rieth: Die Brücke ist von Rot-Grün in Mainz beschlossen worden, und sie wird nach der Umsetzung Veränderungen im wirtschaftlichen Leben bringen. Wenn es nicht nur Belastungen sein sollen, die unzweifelhaft existieren, muss man jetzt auch die Chancen nutzen, die sich durch dieses Bauwerk ergeben. Die Chance besteht darin, die Ortsgemeinden von Reil bis Zeltingen-Rachtig beidseits der Mosel zusammenzulegen, nach einem Regionalentwicklungsprozess, zu einer starken Verbandsgemeinde.

Das heißt also, dass nicht nur die Bevölkerungszahlen entscheidend sind, sondern auch die strukturellen Perspektiven?
Beth: Absolut. Man muss auf viel mehr Faktoren achten. Wir sehen ja, was zum Beispiel eine Autobahn einer Region gebracht hat. Da muss man nur nach Wittlich schauen. Dort haben sich viele Betriebe angesiedelt. Wittlich ist wirtschaftlich am aufblühen. Die Erfahrung zeigt, dass Regionen, in denen Verkehrsachsen ausgebaut worden sind, sich auch wirtschaftlich positiv entwickeln.
Rieth: Um die Chancen zu nutzen, brauchen wir ein Moratorium für den jetzigen Gesetzentwurf. Die Kommunalreform sollte bis 2019 ausgesetzt werden. Bis dahin sollte man die Situation analysieren und schauen, welche Zusammenlegungen Sinn machen, auch unter strukturellen und wirtschaftlichen Kriterien. Wo ist Fremdenverkehr? Wo könnte sich Dienstleistungsgewerbe ansiedeln und so weiter.
Außerdem darf die neue Verbandsgemeinde nicht nach einem Ort benannt werden, sondern ein landschaftsbezogener Name mit Regionalbezug wie zum Beispiel Verbandsgemeinde Mittelmosel, wäre viel besser, damit die aktuelle Streiterei sich nicht zum Imageschaden für die gesamte Region auswirkt. Es darf sich bei der Namensfindung kein Kröver oder Traben-Trarbacher oder Bürger/in eines sonstigen Ortes benachteiligt fühlen, nur weil sein Ort nicht mehr im Namen der VG vorkommt.

Wie schätzen Sie die Situation in Manderscheid ein? Diese Verbandsgemeinde ist zwar klein, hat aber einen hohen touristischen Stellenwert. Sie soll aber bald an die Verbandsgemeinde Wittlich-Land angeschlossen werden.
Rieth: Auch dort müsste man einen regionalen Strukturentwicklungsplan mit den Bürgerinnen und Bürgern entwickeln. Da muss man klar definieren, welche Anforderungen und Strukturen die Verbandsgemeinde haben soll und was sie leisten können muss. Sie könnte ja auch mit Verbandsgemeinden aus einem anderen Landkreis zusammengehen. So was muss genau untersucht werden. Das braucht aber Zeit und sollte nicht übers Knie gebrochen werden. Deshalb muss jetzt erst mal "Stopp!" zum aktuellen Gesetzgebungsverfahren gesagt werden und die Zeit genutzt werden, um aktiv die Dinge zu entwickeln.

Wie groß sollte denn eine leistungsfähige Verbandsgemeinde der Zukunft sein?
Beth: Der Zuschnitt der Verbandsgemeinden kann heute auch im ländlichen Bereich wesentlich größer sein als früher, da aufgrund der modernen Kommunikationstechniken die räumliche Entfernung der einzelnen Bürger zum Verwaltungssitz der Verbandsgemeinden nicht mehr die frühere Bedeutung hat. Man kann daher heute den Zirkel wesentlich größer schlagen. Anzustrebende Größenordnungen von um die 20 000 Einwohner halte ich da durchaus für realistisch.
Rieth: Auch dem demografischen Wandel in dem Zusammenhang muss Rechnung getragen werden. Das sind alles Faktoren, die in einen solchen Regionalentwicklungsprozess einfließen müssen, damit eine Fusion Bestand hat. Deshalb muss ein Moratorium zur Kommunalreform her.
Beth: Die Reform, so wie sie derzeit läuft, muss dringend gestoppt werden! Der Forderung nach einem Moratorium stimme ich zu. Vielleicht finden sich dann auch gemeinsame Lösungen, die wie bei der ersten Reform vor 40 Jahren von Regierung und Opposition gemeinsam getragen werden. Die geplante Reform sollte für die nächsten 50 Jahre Bestand haben. Das jetzige Verfahren wird diesem Ziel leider nicht gerecht.
Was halten Sie davon, die Kommunalreform auszusetzen, um die Grenzen neu zu ziehen?
Schreiben Sie uns unter Angabe Ihres Namens und Ihres Wohnortes an:
mosel-echo@volksfreund.deExtra

Dietmar Rieth (Bündnis 90/Die Grünen) ist 1958 geboren und in Kinheim aufgewachsen. Nach dem Berufsschulabschluss in Wittlich machte er den Fachhochschulabschluss als Diplom-Ingenieur in Koblenz. Von 1985 bis 1991 war er Planungsingenieur bei den Stadtwerken in Neuwied. Von 1991 bis 2001 saß er für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen als Landtagsabgeordneter in Mainz. Von 2001 bis 2004 arbeitete er in Projektentwicklungs-Arbeitsgemeinschaften, zuletzt als Geschäftsführer. Seit 2009 ist Rieth Mitinhaber der Energieagentur Mittelrhein. Alfred Beth (CDU) ist 1940 geboren und in Kinheim aufgewachsen. Nach dem Abitur am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Trier wurde er zum Verwaltungsjuristen ausgebildet. Von 1988 bis 1991 war er Staatsminister für Umwelt und Gesundheit in Rheinland-Pfalz. Von 1980 bis 1988 und von 1998 bis 2006 war er Landrat im Kreis Altenkirchen. Als Abgeordneter saß er von 1991 bis 1998 im Landtag. Beth hatte zudem von 1994 bis 1998 das Amt des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion inne. hpl/cb

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