Volksfest: Die Köpfe der Säubrennerkirmes

Wittlich · Wer zum Gastgeber von 100 000 Menschen wird, wie die Stadt Wittlich an jedem dritten Wochenende im August, muss viel vorbereiten und braucht verlässliche Helfer. Von denen, die von der Tradition bis zur Organisation am Gelingen der Säubrennerkimes ab Freitag, 19. August, beitragen, stellt der TV einige vor.

 Immer ein anderer Feuerwehrmann sorgt fürs Kletterspektakel auf dem Markt. Wer es 2011 sein wird, sehen Besucher am Samstag. TV-Fotos: KLaus Kimming (1), Sonja Sünnen (8)

Immer ein anderer Feuerwehrmann sorgt fürs Kletterspektakel auf dem Markt. Wer es 2011 sein wird, sehen Besucher am Samstag. TV-Fotos: KLaus Kimming (1), Sonja Sünnen (8)

 EhrenbürgerWilli Schrot.

EhrenbürgerWilli Schrot.

 Leo Kappes von der Stadtverwaltung.

Leo Kappes von der Stadtverwaltung.

 WinzerHeinz Zender.

WinzerHeinz Zender.

 Rochus, der Stadtpatron.

Rochus, der Stadtpatron.

 RöstmeisterAndreas Mittler.

RöstmeisterAndreas Mittler.

 Tanja Winter vom Kulturamt.

Tanja Winter vom Kulturamt.

 Peter Meyenschein, Vorsitzender des Blasorchesters.

Peter Meyenschein, Vorsitzender des Blasorchesters.

 StadtschreiberDetlef Boor.

StadtschreiberDetlef Boor.

Wittlich. Die Rettungs- und Hilfsdienste, die Menschen die die Straßen im Morgengrauen reinigen, die Umzugsteilnehmer, Vereinsmitglieder, Helfer an den Ständen und im Hintergrund, die Festschauspieler, die Böllerschützen: Ohne das Engagement vieler wäre die Säubrennerkirmes nichts. Beispielhaft stehen nachfolgende Köpfe der Kirmes für alle, die zum 61. Mal das Volksfest möglich machen.
Rochus: Dieser Mann wäre heute mehr als 700 Jahre alt. Er ist zwar kein klassischer Säubrenner, aber Wittlichs Stadtpatron. Gut daran ist: Sein Namenstag ist der 16. August. Matthias Joseph Mehs, der als Erfinder der Säubrennerkirmes gilt (zuvor war Kirmes im November), wird aus dem Jahr 1930 wie folgt zitiert: "Rochus ist der Stadtheilige. Vom Rathausgiebel schaut sein Standbild auf uns herab. Der Tag fällt in die großen Ferien, ist also für den Fremdenzustrom sehr günstig." 1931 beschloss dann der Stadtrat, die Kirmes am Rochustag zu feiern: der erste Schritt zum Volksfest. 1950 wurde daraus die Säubrennerkirmes, als insgesamt drei Schweine am Spieß über Holzkohlefeuer geröstet wurden. 2010 waren es 123: Rekord.
Stadtschreiber: Eine Bilanz der vergangenen Kirmes inklusive Zahl der gebratenen Säue zieht jedes Jahr der Stadtschreiber in seinem auf dem Marktplatz vorgelesenem Protokoll - seit der ersten Säubrennerkirmes. Danach wird das Dokument feierlich von Bürgermeister, Beigeordneten, Stadträten unterzeichnet zur offiziellen Urkunde. 26 Jahre kümmerte sich Matthias Joseph Mehs darum, der es jedes Jahr mit einem anderen Buchstaben des Alphabets beginnen ließ. Es folgten die Stadtschreiber, die das Wittlicher Platt zur Protokollsprache machten: Horst Graf, Herbert Nels, Albert Klein und seit 2000 Detlef Boor. Der 52-Jährige hat die Zeitrechnung "im Jahr nach Mehse Matthi" ins Protokoll eingeführt: "Geblieben sind von meinen Vorgängern Wetter und verzehrte Säue. Stadtschreiber bin ich geworden, weil ich 1999 fürs Schauspiel drei Rollen gelernt habe, um mitmachen zu können. Einen Tag vorher ist dann der Stechermattes, Adi Kaspari, wegen Krankheit ausgefallen, ich bin eingesprungen. Da hat Albert Klein gesagt: ,Wer sich so reinkniet, ist der Richtige.\'" Mittlerweile hat Detlef Boor über das Protokollschreiben auch Platt gelernt.
Röstmeister: Keine Kirmes ohne Saubraten. Dafür sorgt seit zehn Jahren Andreas Mittler, 41 Jahre. Er hat das Ehrenamt von seinem Vater Willi Mittler geerbt, der 36 Jahre hinterm Saubratenstand mit der Geheimrezeptur aus neun Gewürzen für das traditionelle Kirmesessen auf dem Marktplatz sorgte. Rund tausend Schweine, alle aus der Eifel, hat Andreas Mittler mit dem vierköpfigen Metzgerteam schon zubereitet. Samstag, Sonntag und Montag bis Mitternacht wird geschafft. Den ersten Saubraten isst der Röstmeister immer mit dem Bürgermeister. Drei hat er dabei schon kennengelernt. Selbst in Ensch an der Mosel geboren, heute in Binsfeld lebend, weiß der Röstmeister eins nicht genau: Ist er nun ein Säubrenner oder nicht?
Weinpokal: Seit 1993 steht ein Kunststoffkelch (8500 Euro) auf dem Markt, seit 2005 vor der alten Posthalterei. Vorher stand seit der ersten Kirmes 1950 über 40 Jahre Willi Schrots selbst gebauter 4,20 Meter hoher Weinpokal (150 Euro) neben dem Alten Rathaus. Wittlichs 96-jähriger Ehrenbürger erinnert sich: "Mittwochs vor der allerersten Kirmes kamen Matthias Mehs und Alois Zapp vom Verein für städtische Interessen in meine Werkstatt: , Wir brauchen ein großes Weinglas, um den Wittlicher Wein herauszustellen. Du musst uns eins machen.\' Ich ließ alles stehen und liegen, ging ins Haus und ließ mir von meiner Frau einen Original Weinkelch geben. Den haben wir dann vergrößert auf dem Werkstattboden aufgezeichnet. Stahl hatte ich, Holzbretter hat Herr Mehs besorgt und Blech Herr Zapp aus Dacheindeckungen von Konservendosen. Kirmessamstag war der Kelch fertig. Womit wir nicht gerechnet haben: Montags stiegen welche hinein und machten von da aus eine Kinderbelustigung. Damals war ich 35 Jahre alt."
Musikprogramm: Bands, Orchester, Showgruppen, Diskjockeys: Zum Feiern gehört Musik und darum kümmert sich seit 2003 unter anderem Tanja Winter (29) vom Kulturamt: "Wir haben immer rund 50 Bewerber und schauen zusätzlich Bands live, um zu wissen, was gerade aktuell ist. Dann wird gesichtet und im Frühjahr entschieden, wer auftreten wird." Allein ins Abendprogramm investiert die Stadt 30 000 Euro. Viele Besucher kommen extra wegen einer speziellen Band in die Stadt. Für sie ist die Kirmes dann ein kostenloser Konzertbesuch der besonderen Art. Das Kulturamt kümmert sich außerdem "um alles außer den Rummel", zum Beispiel Toiletten, Einkäufe für den Saubratenstand, Empfang oder Weinprobe.
Rummelplatz: Seit mehr als 40 Jahren ist Leo Kappes, 63 Jahre, bei der Stadtverwaltung der Mann für alle Kirmesfälle. Er hat die Gesamtleitung der Veranstaltung, wozu der riesige Rummelplatz gehört, und der ist nicht nur bei den Gästen, sondern auch bei Schaustellern heiß begehrt. Leo Kappes sagt: "Wir haben jährlich vier- bis fünfmal mehr Bewerber, als wir unterbringen können." Das Kirmeswahrzeichen, das Riesenrad, bringt Kappes naturgemäß immer unter, auch zwei Autoscooter haben ihren festen Platz. Andere Attraktionen werden jährlich getauscht. Geändert hat sich auch der Platz: Als Kappes anfing, gab es zum Beispiel noch die Zugstrecke mitten in der Stadt. Am Viehmarkt war nur halb so viel Platz. 80 Schausteller und Händler kommen dieses Jahr. Eins steht fest: Nach den Planungen auf dem Papier verschafft sich Leo Kappes immer einen tatsächlichen Überblick: während seiner traditionellen Riesenradfahrt. Die muss sein.
Blasorchester: Seit Beginn der Kirmes sorgen das Wittlicher Blasorchester plus Chöre der Stadt für einen der wichtigsten Programmpunkte zum Fest: Musik. Später kamen Showorchester plus Bands hinzu. Für das Blasorchester ist die Kirmes ein Mammutprogramm: freitags von 21 bis 24 Uhr, samstags als Zugteilnehmer und von 16 bis 18 Uhr, sonntags Frühschoppenkonzert von 11 bis 12.30 Uhr, montags Frühschoppenkonzert von 11 bis 13 Uhr. Vorsitzender Peter Meyenschein, 39 Jahre, sagt: "Wir sind immer rund 40 Musiker, können aber nicht alle vier Tage in voller Besetzung spielen. Der Auftritt freitags nach dem Schauspiel ist mit drei Stunden länger als das Neujahrskonzert. Da spielen wir 30 Stücke." Die Kirmes beschert den Musikern auch die alljährlich größten Zuhörerzahlen. Diese Jahr im Programm: Alles von der Polka bis zu Michael Jackson-Titeln.
Wein: Wittlicher Wein gehört von Beginn an zur Kirmes wie der Saubraten. Dafür sorgen die Wittlicher Weingüter Lütticken, Losen-Bockstanz, Mertes und Zender-Göhlen, deren vier Stände am Marktplatz jährlich reihum wechseln. Sie sorgen auch für den Belagerungstrunk zur Kirmeseröffnung und die edlen Tropfen zur feierlich-festlichen Weinprobe mit geladenen Ehrengästen in der Synagoge. Heinz Zender, 55 Jahre, Sprecher der Wittlicher Winzergemeinschaft und seit 41 Jahren in Sachen Kirmeswein aktiv, sagt: "Für uns sind die Vorbereitungen fast Routine, aber das dauert immer ein paar Tage. Draußen im Weinberg sind die Arbeiten meist abgeschlossen bis zur Ernte im Herbst. Viele sagen ja: Wenn die Kirmes rum ist, ist das Jahr rum. Ich freue mich darauf, Freunde und Bekannte zu treffen, und auf den guten Saubraten." Dazu passe am besten ein halbtrockener Riesling. Wie viel Wein an den vier Tagen getrunken wird, kann Zender nicht sagen: "Egal, was ich schätze, ich liege immer daneben."

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