Volksmusik ohne Schmalz

ERBESKOPF. (gkl) Wenn bei einem Konzert beinahe mehr Akteure als Zuhörer da sind, ist das frustrierend. Wenn sich, wie jetzt am Erbeskopf, die Musiker davon nichts anmerken lassen und trotzdem einen interessanten Abend gestalten, spricht das für die Künstler.

Offensichtlich gab es doch ein großes Missverständnis bei der richtigen Betitelung eines Benefizkonzerts in der Waldgaststätte am Erbeskopf. Zugegeben, es war auch eine nicht ganz einfach Materie, die Verbandsgemeinde auf den Plakaten zu vermitteln hatte. Ging es nun um Volksmusik oder um Folkmusik? Da tritt das Problem zutage, dass bestimmte Vokabeln gerne mit bestimmten Vorstellungen belegt sind, ob diese nun stimmen oder nicht. Die Bezeichnung eines Volksmusikkonzerts wäre für den Abend am Erbeskopf nicht falsch gewesen, wenn man den Titel dieses Genres richtig versteht. Volksmusik darf nicht auf das eingeengt werden, was uns all die Mariannen und Michaels mit süßlich-schmalziger Stimme als solche verkaufen. Volksmusik ist das, was sich als Musik des Volkes, abseits akademischer Strömungen, als Musik der einfachen Menschen entwickelt hat. Ein Brunnen, aus dem viele große Komponisten wie etwa Béla Bartók oder Antonin Dvorák schöpften. Am Erbeskopf versuchte man einen Brückenschlag zwischen der Musik verschiedener Völker. Es war eine Begleitveranstaltung zu einem Workshop im Ferienpark Himmelberg, auf dem die Teilnehmer das Spiel von Dudelsack und Nyckelharpa, einer Fidelart, erlernen konnten. Dozent war Alban Faust, ein Fachmann für beide Instrumente, der auch zusammen mit seinen Partnern Andreas und Christer Ådin die programmatische Hauptlast des Konzerts trug. Interessante Einblicke gewährte das Trio in die Volksmusik aus Schweden, in der immer wieder der Volkstanz "Polska" im zentralen Mittelpunkt stand. Aber auch Lieder, die sich traditionell zu bestimmten Anlässen, wie etwa Hochzeiten, entwickelt haben, konnte man kennen lernen. Virtuos und eindrucksvoll gestaltete das Trio seinen Part. Es stellte sich lediglich die Frage, warum sie in einem Raum, der nicht viel größer als ein Wohnzimmer war, nicht auf eine Verstärkeranlage verzichten wollten. Jörg Martin Kuhn, auch unter dem Künstlernamen "Leikari" bekannt, erweiterte mit skandinavischer Musik das Spektrum der verschiedenen Dudelsäcke, die man an dem Abend kennen lernen konnte. Bereichert wurden seine Darbietungen durch die Gruppe "Aragira", die sich dem orientalischen Tanz verschrieben hat. Hier wäre es allerdings hilfreich gewesen, wenn man dem Publikum ein wenig Erklärung zu den eventuellen Verbindungen zwischen Tanz und Musik gegeben hätte. Auf jeden Fall aber bot sich den Zuschauern ein farbenfrohes Bild, mit dem die Tänzerin Shalia und ihre Mitstreiterinnen sie erfreuten. Abgerundet wurde der Abend durch Xurxo Ordonez Himmelreich, der sein Können auf dem Gaita, einer Sackpfeife aus Galizien, unter Beweis stellte. Es war ein gelungener Abend, bei dem die Künstler von der Frustration über die leeren Stühle sich nichts haben anmerken lassen.

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