Vom Aus für die Pinkelprinzen

Auch die schönste Kirmes geht zu Ende. Aber nach der Kirmes ist bekanntlich vor der Kirmes. Und da alle Beteiligten Bilanz gezogen haben - Rathaus, Ortsgemeinde, Polizei und Schausteller - halten mein Hermann und ich unsere persönliche Rückschau.



Meine bessere Hälfte ist völlig begeistert von einem absoluten Novum in der 173-jährigen Morbacher Kirmesgeschichte. Erstmals gab's in diesem Jahr das sogenannte "Flatrate-Pinkeln". "Flatrate" spricht man - für alle, die es nicht wissen- "Flätreit" aus. Will heißen: Man bezahlt einen bestimmten Betrag und darf dann so oft wie man will telefonieren, essen oder eben pinkeln. "Das gab's noch nie", versichert mein Hermann. Und der muss es ja wissen, schließlich findet im mittleren Hunsrück kaum eine Kirmes ohne ihn statt.

Ein Stempel auf der Hand, und man darf die netten Toilettendamen so oft besuchen, wie man will. Der besondere Trick: Dort darf man immer noch, auch wenn das Kirmesgeld längst alle ist.

"Flatrate-Trinken", das kennt ja fast jeder, sagt mein Hermann. Aber quasi das Gegenteil davon sei ein Alleinstellungsmerkmal erster Qualität und Güte. Er gerät regelrecht ins Schwärmen. Ich persönlich sehe diesen Schritt der Veranstalter mit einem leisen Bedauern. Denn was gab es früher im Städtchen - ich muss es ja doch mal wieder sagen - zur Kirmes nicht alles zu sehen! Ihr erinnert euch doch an den blaublütigen Ernst August von Hannover, den pöbelnden Ehemann der schönen Caroline. Der hatte vor acht Jahren Zeitungsberichten zufolge an den türkischen Pavillon uriniert, wie das etwas vornehmer heißt, und galt ab sofort als "Pinkel-Prinz".

In der Landeshauptstadt von Niedersachsen war der Mann offenbar eine Sensation. Die Morbacher wären in der Sache nicht so schnell zu beeindrucken. Sie haben zwar weder eine Expo noch einen türkischen Pavillon, aber dafür Tausende von Pinkelprinzen: an Büschen, Hecken, Bäumen, Türeingängen und mit ein bisschen Glück sogar an erleuchteten Schaufenstern.

Zumindest an der Kirmes hatten wir sicher bundesweit den höchsten Anteil blauen Blutes im Ort. Das hätte uns sicher noch ins Guinnessbuch der Rekorde gebracht. Aber das Leben ist nun mal kein Wunschkonzert. Diese Zeiten sind nun wohl vorbei. Und diese neumodische "Flatrate" ist an allem schuld, bedauert eure

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