Vom langen Warten auf den Bus

NEUNKIRCHEN/GRÄFENDHRON. Das Drama um 41 Tschernobylkinder und ihre Betreuer geht weiter. Organisatoren und Gasteltern hoffen, dass der erwartete Ersatzbus heute Morgen in Thalfang abfahren kann.

"Ich habe schon zweimal Koffer gepackt", sagt die 17-jährige Elena im Gespräch mit dem TV , "jetzt packe ich sie zum dritten Mal." Das Mädchen aus Minsk ist derzeit mit Sascha (13) und Sergei (12) im Rahmen der Kindererholung der Tschernobyl-Hilfe Erbeskopf in Gräfendhron bei der Familie Steinmetz. Eigentlich sollten die drei und weitere 38 Kinder sowie Betreuer aus der Region um Minsk schon seit dem Wochenende wieder zuhause sein. Doch daraus wurde nichts. Der Bus, der die Gruppe zurückbringen sollte, war ausgefallen, und mit dem Ersatzfahrzeug gab‘s Probleme, so dass sich die Heimfahrt der Kinder verzögerte (der TV berichtete).Seit 1996 organisiert Manfred Bungert diese Erholungsurlaube, "aber das habe ich noch nicht erlebt". Der Bus war am Samstag mit stundenlanger Verspätung aus Amsterdam angekommen. "Die Kinder stiegen ein, auch das Gepäck war schon im Bus", erinnert sich "Gastmutter" Rosmarie Steinmetz. Doch dann bemerkten andere Gasteeltern, dass das Fahrzeug Öl verlor. Die russischen Busfahrer versicherten, das sei kein Problem. Die Panne könne in zwei Stunden in einer Vertragswerkstatt behoben werden. Die Polizei überzeugten sie nicht: Dem Bus wurde zunächst die Weiterfahrt untersagt.Am nächsten Tag - am Sonntag - sah man nach einer Untersuchung bei der Firma Hochwald Nahrungsmittelwerke, die für ihre eigenen Fahrzeuge einen Bremsenprüfstand haben, klarer: Die Leistung der Bremsen war stark vermindert, doch nach Polizeiangaben gerade noch oberhalb des Grenzwertes. Doch das Fahrzeug hatte weitere Mängel. Unter strengen Auflagen wurde die Weiterfahrt zur Werkstatt in Bad Salzuflen genehmigt - die Kinder blieben hier. Der Tschernobyl-Hilfe war das ganze nicht geheuer. Abgesehen von der Unfallgefahr befürchteten Manfred Bungert und seine Vorstandsmitglieder, dass es mit zwei Stunden Reparatur nicht getan wäre, und dann stünden die Kinder "irgendwo draußen in der Botanik". Zunächst wurden die Kinder von ihren Gastfamilien wieder mitgenommen. Da, wo dies nicht möglich war, wurden sie auf weitere Familien verteilt, so wie im Fall der 16-jährigen Julia, die mittlerweile ebenfalls bei der Familie Steinmetz in Gräfendhron untergebracht ist. Julias Gasteltern in Föhren starteten bereits am Wochenende in den lange geplanten Urlaub.Die Tschernobyl-Hilfe hatte für die Betroffenen bereits am Freitag die Visa verlängert. Doch der Mängelbus, der aus Amsterdam gekommen war, hatte weitere fünf Passagiere mit Visa-Problemen an Bord, die über Minsk nach Moskau fahren wollten. Diese wollten unbedingt mit dem Bus weiterfahren, der zunächst aus dem Verkehr gezogen war. Die Polizisten kümmerten sich darum, dass sie in der Morbacher Jugendherberge übernachten konnten, während die Verbandsgemeinde Thalfang sich spontan bereit erklärte, die Kosten zu übernehmen. Eine Mitarbeiterin der Kreisverwaltung stellte kurzerhand am Sonntag in Morbach eine Grenzübertrittsbescheinigung aus. Noch am gleichen Tag setzten die fünf ihre Reise fort.Dickes Lob für unbürokratische Hilfe

Doch wie kommen die Tschernobyl-Kinder zurück? Die Partnerorganisation in Minsk charterte einen neuen Bus, der gestern Abend in Thalfang erwartet wurde. (Bis zum Redaktionsschluss war er noch nicht da.) Heute morgen sollen die weißrussischen Gäste endgültig gen Heimat aufbrechen. Ein zweiter Bus, der bereits am Freitag mit weiteren 41 Tschernobyl-Kindern und Betreuern Richtung Rubel/Stolin startete, ist übrigens längst am Zielort angekommen. Das lange Warten auf den Bus geht weder an den Gastfamilien, noch an den Organisatoren spurlos vorüber. "Und ich bin bestimmt einiges gewöhnt", so Bungert. Dennoch sprechen Tschernobyl-Hilfe und die Polizei allen Beteiligten, die schnell und unbürokratisch geholfen haben, ein dickes Lob aus. "Nicht auszudenken, was sonst hätte passieren können", betont Bungert. Die jungen Gäste kümmert das ganze wenig.Zumindest die vier jungen Leute aus Gräfendhron versichern, dass sie sich freuen, ein paar Tage länger Ferien zu haben.

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