Vom Marktplatz in die neue Welt: Filmdreh in Bernkastel

Bernkastel-Kues · Ein Filmteam mit 40 Leuten, 30 Komparsen und mitten drin Regisseur Edgar Reitz: Gestern wurden Aufnahmen zum Kinofilm "Die andere Heimat" auf dem historischen Marktplatz in Bernkastel gedreht.

Bernkastel-Kues. Um 15.15 fällt die erst Klappe. Die Kamera läuft, der Toningenieur gibt sein Okay. Edgar Reitz ruft laut: "Bitte!" Ein halbes Dutzend Kinder rennt die Mandatstraße hinunter auf den Marktplatz. Die Jungen und Mädchen rufen ganz aufgeregt: "Die Werber sind da, die Werber sind da." Hinter ihnen taucht Jakob auf. Der Sohn eines Schmieds aus einem kleinen Hunsrückort schaut mit großen Augen auf das Getümmel auf dem Marktplatz mit seinen prächtigen Fachwerkbauten. Er will von zu Hause weg, will ein besseres Leben ohne Armut beginnen - wenn es sein muss, auch im unendlich weit entfernten Südamerika.
Die Szene spielt sich in Bernkastel im Jahr 1840 ab. Eine Stadt, die Filmemacher Edgar Reitz, bekannt durch seine preisgekrönte Heimat-Filmtrilogie, von seiner Jugendzeit gut kennt. Oft ist der gebürtige Morbacher als Heranwachsender mit dem Fahrrad an die Mosel gefahren. "Es war immer ein großer Spaß und eine sportliche Herausforderung", verrät er dem TV. Es ist kurz vor Mittag. Noch hat Reitz Zeit für einen kurzen Plausch mit Stadtbürgermeister Wolfgang Port. "Für Jakob, den Helden der Geschichte, ist Bernkastel der erste Schritt in die weite Welt", sagt Reitz. Port freut sich: "Dieser Satz gefällt mir." Er ist überzeugt: "Der Filmdreh ist eine gute Imagewerbung für die Stadt."
Ab 14 Uhr ist Reitz nur noch auf seine Arbeit konzentriert. Die Kameras werden aufgebaut, die Schauspieler und Komparsen treffen ein. Er lässt sich von einem Schauspieler ein Lied vorsingen und zeigt einem Trommler, wie er das Musikinstrument am besten hält. Kurzfristig muss das Wasser am Brunnen abgedreht werden. Das Geräusch würde stören.
Enormer Aufwand


Die zweite Szene spielt direkt vor dem Brunnen. Der Trommler kündigt die Werber an. Einer singt: "Hannes, Hannes, zieh mit mir - nach Brasilien wandern wir." Mehrmals muss die Szene gedreht werden, die Komparsen erhalten immer wieder Anweisungen, die Scheinwerfer werden stets neu ausgerichtet. Der Aufwand für die insgesamt eineinhalbminütige Filmsequenz ist enorm. Bereits am Sonntagabend wird der Marktplatz abgesperrt, damit LKW Requisiten ausladen können. Schreiner, Maler und Techniker bauen die Stände auf.
Tonkrüge, geflochtene Körbe, gefüllte Kartoffelsäcke, ein Leiterwagen, Holzkisten, Zwiebeln, gerupfte Hühner, Holzfässer und vieles mehr, was vor 170 Jahren einen Markplatz schmückte, ist zu sehen. Sogar einen Esel hat das Filmteam engagiert. Helfer streuen Stroh auf den gepflasterten Platz, sie decken jeden Gullydeckel ab und stellen bemalte Kulissenwände vor die Schaufenster und Türen. Es muss echt aussehen. Das heißt alt und teilweise schmutzig. Die Not ist groß in dieser Zeit, vor allem auf dem Hunsrück. Viele Menschen ließen sich von Werbern locken, um der Armut zu entkommen. Am Brunnen hängt ein Schild. Darauf steht geschrieben: "Freie Überfahrt nach Rio Grande do Sul in Brasilien". Ein hübsches Bild darunter zeigt eine fruchtbare Landschaft mit grasenden Kühen und mit Obst und Gemüse prall gefüllte Körbe.
Fast alle Komparsen stammen aus der Region. Wie Bettina Scherrer aus St. Aldegund, die eine Marktfrau spielt. Auch ihre Zwillingstöchter Paula und Marie haben kleine Rollen. Aus Piesport darf Georg Bösen mitspielen, aus Traben-Trarbach Pauline Bürger und Werner Gass.
Heute dreht das Team in Wolf. Dort spielt eine Gasthausszene anno 1840.

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