Vom Schwärmen und Schrumpfen

Bernkastel-Kues · Großstädte wachsen, Mittelzentren halten vielleicht ihr Niveau, Dörfer dagegen bluten immer mehr aus. Die Stadt Bernkastel-Kues soll in der gleichnamigen Verbandsgemeinde ein zumindest kleiner Leuchtturm bleiben. Dafür braucht sie adäquaten Wohnraum. Wie es damit aussieht, soll bis Ende 2016 ermittelt sein. Der Fokus liegt auf Alt-Kues und der Altstadt von Bernkastel.

Bernkastel-Kues. Rheinland-Pfalz: Land der Reben und Rüben. Dieser Slogan war lange griffig. Reben machen die Weinbauregionen zwar immer noch attraktiv, bei Rüben denkt man aber unweigerlich an die harte Nachkriegszeit. 2015 könnte es zum Beispiel heißen: Rheinland-Pfalz - Land der Schwarmstädte und Schrumpfregionen. Die gibt es wirklich. Ersteres trifft auf Städte wie Mainz, Trier, Worms und Landau zu, zu denen junge Leute hinschwärmen und die weiter wachsen. Letzteres gilt für ländliche Gebiete wie die VG Bernkastel-Kues.
Der Begriff "Schrumpfregion" kommt allerdings nicht gut an. "Wer will denn da leben oder hinziehen", fragt Gertrud Weydert (Grüne) in der Sitzung des Bernkastel-Kueser Stadtrates. Genau das wollen die Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz und das Mainzer Büro der Deutschen Stadt- und Entwicklungsgesellschaft (DSK) ermitteln.
Viel Leerstand in Alt-Kues


Bernkastel-Kues ist dabei wie das pfälzische Rockenhausen bis Ende 2016 Modellstadt und Experimentierfeld. Der Name des Projekts sei zwar nicht schön, er bleibe aber bestehen, sagt Rainer Zeimentz vom Vorstand der Entwicklungsagentur: Anpassung des Wohnraumangebotes in rheinland-pfälzischen Kleinstädten in Schrumpfregionen.
Was steckt dahinter? In der Sitzungsvorlage steht nur soviel: Es soll modellhaft erprobt werden, mit welchen Instrumentarien das Wohnraumangebot in Kleinstädten an die veränderten Bedürfnisse angepasst werden kann. Bernkastel-Kues ist ein Wunschteilnehmer, weil es als Mittelzentrum weiter gefragt ist und über alle Arten von Schulen, Behörden und ein Krankenhaus verfügt. Gleichzeitig stehen, so Gudrun van Brandwijk (Bauabteilung der VG-Verwaltung), in Alt-Kues mehr als 20 Häuser leer. Darüber hinaus gebe es etwa 30 Gebäude, in denen nur über 70-Jährige wohnen. In der von Lokalen, Cafés und Geschäften geprägten Bernkasteler Altstadt stehe zwar im Erdgeschoss kaum etwas leer, dafür seien die oberen Geschosse oft ungenutzt.
Ermittelt werden soll, was angeboten werden müsste, damit zum Beispiel Lehrer, Ärzte oder Verwaltungsmitarbeiter in die Stadt ziehen, statt jeden Tag zu pendeln. Schließlich habe solch eine Entwicklung Einfluss auf Politik und Vereinsleben.
Wie die Bedürfnisse ermittelt werden, wird nicht erläutert. Niemand aus dem Stadtrat fragt aber auch danach. "Ich weiß nicht, wie die vorgehen wollen", sagt Heiner Nilles, ehemaliger Büroleiter der VG Bernkastel-Kues und nun interessierter Zuhörer.
In der dem Volksfreund vorliegenden Projektvorlage heißt es: Zuerst werden statistische, kartografische und sonstige Informationen ausgewertet. Ergänzend werden der Bestand vor Ort begutachtet und Gespräche mit lokalen Experten geführt. Dabei könne auch herauskommen, dass der Wohnraum den Ansprüchen nicht genügt, betonen Zeimentz und DSK-Mann Bernd Bruder. "Dümmer werden wir durch die Aktion nicht", sagt Stadtbürgermeister Wolfgang Port. Die Stadt zahlt dafür 7500 Euro. Auf spätere Fördermittel hat sie keinen Anspruch.Meinung

Ein holpriger Auftakt
Es wäre schön, wenn aus der Modellstadt Bernkastel-Kues eine Vorzeigestadt in Sachen Wohnen wird. Und vielleicht werden die Initiatoren ja in eineinhalb Jahren auch über den grünen Klee gelobt. Doch der Auftakt war holprig, nicht nur wegen der schlechten Akustik. Zumindest die Zuhörer und der Pressevertreter gingen nicht viel schlauer nach Hause. Sie erfuhren zwar, dass es ein Handlungskonzept geben soll, aber nicht auf welcher Basis es erstellt wird. Das steht zwar ansatzweise im Aufruf zu dem Projekt, aber der liegt den Bürgern ja nicht vor. Es war leider ein Abend mit zu viel Theorie. Ein wichtiges Vorhaben ist schlecht verkauft worden! c.beckmann@volksfreund.deExtra

Wird etwas weniger, schrumpft es. Deutschland schrumpft. Es werden weniger Kinder geboren als Menschen sterben. Das heißt nicht, dass in jeder Stadt und in jedem Dorf weniger Leute leben. In die großen Städte, auch Ballungszentren genannt, zieht es immer mehr Menschen. Das hängt damit zusammen, dass viele junge Leute zum Studium und zur Ausbildung in die Städte ziehen und hinterher auch da bleiben. Kleine Orte werden dagegen immer leerer. Dort ein Haus oder eine Wohnung zu verkaufen, wird immer schwerer. In Bernkastel-Kues wird untersucht, wie junge Leute zum Bleiben oder Wiederkommen bewegt werden können. Im Mai gibt es dazu eine große Veranstaltung. cb

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