Vom stillen Tal ins idyllische Dorf

HINZERATH. Was die Gemeinden dies- und jenseits des Idarwaldes früher trennte, gehört nach Ansicht von Roswitha Polok heute der Vergangenheit an. Dennoch orientieren sich die Kooperationen von Touristikern mehr entlang dieser Baumgrenze und weniger intensiv darüber hinweg.

Eine typische Grenzgängerin ist Roswitha Polok eigentlich nicht - zumindest keine, die täglich diese unsichtbare Grenze überschreitet. Aber die Mitarbeiterin der Morbacher Tourist-Information ist "überm Wald" geboren, wie sie diplomatisch sagt. Mittlerweile ist sie seit 33 Jahren Bürgerin der Gemeinde Morbach. Genauer gesagt, des Ortsbezirks Hinzerath, in dem sie mit ihrem Mann in einem Vier-Generationen-Haus lebt. In idyllischer Ortsrand-Lage mit einem großen Garten. So richtig mitten im Dorf hätte die 52-Jährige sich vermutlich weniger heimisch gefühlt. Ist sie doch in einer abseits gelegenen Mühle bei Wirschweiler aufgewachsen. Der Wechsel "vom stillen Tal in ein Dorf" war ihr schon schwer gefallen. Doch sie fand sich ein. Dass sie mit dem Umzug nach Morbach auf die andere Seite des Waldes wechselte, war dagegen für sie keine Umstellung, der sie besondere Bedeutung beigemessen hätte. Obwohl sich für die junge Frau bis dahin alles im Landkreis Birkenfeld abgespielt hatte. Angefangen bei der achtklassigen Volksschule oder später in der Handelsschule in Idar-Ober- stein, wo sie auch eine Lehre als kaufmännische Angestellte machte und zehn Jahre arbeitete. Obwohl sie selbst sich in Morbach gut eingewöhnte und mit der viel zitierten "Grenze" kein Problem hatte, ist es ihr doch bewusst, dass da irgendwie was dran ist. "Ich denke schon, dass es da diese Grenze noch gab", stöbert Polok in ihren Erinnerungen. Bruchweiler sei ja eine kommunale Grenze gewesen - und auch eine religiöse. Was sogar noch 1970 nicht unerheblich war. Da hätte noch manchen die Sorge umgetrieben: "Ja, musst du dann auch katholisch werden?" Sie könne sich auch nicht erinnern, dass von ihren Schulkameraden jemand in Morbach zur Schule gegangen sei oder dort gelernt hätte. "Man hat sich nach Idar-Oberstein orientiert", sagt sie. Mindestens zwei Ausnahmen gab es aber doch: Die Entscheidung Arztbesuch oder Krankenhauswahl fiel dann doch eher zu Gunsten Morbachs aus. Heute sei manches anders - die Orientierung mehr "verkehrsbedingt". So ist für Schüler aus Rhaunen, Stipshausen oder Sensweiler der Besuch der Morbacher Schulen selbstverständlich. Schließlich haben sie dorthin eine bessere Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Nur noch selten zu Besuch in der alten Heimat

Nach Idar-Oberstein fährt Roswitha Polok nur noch sporadisch. Umso mehr fällt ihr auf, dass immer mehr Billigdiscounter in die Einkaufsstraßen der Schmuckstadt drängen. Was eigentlich schade sei: "Das wertet die Fußgängerzone ab." In Morbach sei man bisher ja noch verschont geblieben, zieht die Hinzeratherin Vergleiche. Was für Morbach ihrer Meinung nach "unser Plus" ist, da die fehlende Fußgängerzone und kostenfreie Parkmöglichkeiten für viele Gründe genug seien, sich nach Morbach zu orientieren: "Das sieht man ja an den Autokennzeichen." Das gleiche gelte für Veranstaltungen. Viele Kartenbestellungen kämen von "überm" Wald. Wohlgemerkt nicht davor und dahinter. Denn in einem ist sich die Touristikerin ganz sicher: "Hinterm Wald haben wir nie gesagt." Doch bei allen Durchlässigkeiten, die sich in Bezug auf die historisch gewachsene Grenze inzwischen auftun - eines erstaunt die Hunsrückerin doch. Bei kreisübergreifenden touristischen Kooperationen fallen der Touristik-Fachkraft immer erst die Kollegen diesseits des Waldes ein. Die Ansprechpartner sitzen eher in Thalfang und Hermeskeil und nicht in Birkenfeld und Idar-Oberstein. Dabei kennt sie sich dort besser aus als in manchen Orten des Kreises Bernkastel-Wittlich. Ein Phänomen, für das sie nur eine Erklärung hat: "Ich denke, das ist einfach politisch bedingt." Der nächste Kandidat, den wir im Rahmen der Grenzgänger-Serie vorstellen, ist der Regierungsdirektor Jürgen Schlöder, staatlicher Beamter der Kreisverwaltung Birkenfeld.

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