Vom Unfall bis zum Messerstich

Landscheid · Seit 15 Jahren gibt es im Landkreis Bernkastel-Wittlich First Responder. Das sind Menschen, die bei Notfällen vor Ort innerhalb weniger Minuten qualifizierte erste Hilfe leisten. Die erste Gemeinde im Kreis mit solchen Ersthelfern war Landscheid. Der TV hat mit den Gründungsmitgliedern gesprochen, die dort heute noch ehrenamtlich für das DRK im Dienst sind.

 Von Anfang an dabei: Gründungsmitglieder der First Responder Jan Friedrich und Jürgen Esch (von links) aus Landscheid. TV-Foto: Eileen Blädel

Von Anfang an dabei: Gründungsmitglieder der First Responder Jan Friedrich und Jürgen Esch (von links) aus Landscheid. TV-Foto: Eileen Blädel

Landscheid. Wenn es bei Jürgen Esch oder Jan Friedrich aus Landscheid klingelt, braucht in der Regel jemand ihre Hilfe: Die zwei sind First Responder. Sie sind bei medizinischen Notfällen noch vor dem Notarzt zur Stelle. Dieser Anruf aber hat sie überrascht: Da fragt der TV nach einem Interview. Der Anlass: Seit 15 Jahren gibt es die First Responder im Landkreis, der erste Standort wurde im Juni 1999 in der Gemeinde Landscheid eingerichtet. Esch und Friedrich gehörten zu den Gründungsmitgliedern. Das Jubiläum hatten die Jungs gar nicht auf dem Schirm. Kein Wunder, bei ihrem Engagement bleibt nicht viel Zeit: Beide sind außer für das DRK noch für die Feuerwehr im Dienst und haben Vollzeitjobs. Im TV-Interview sprechen sie über ihren Einsatz als First Responder, den sie seit 15 Jahren leisten.Wie hat alles angefangen?Jan Friedrich: Wir hatten einen Feuerwehreinsatz. Ein Auto war zwischen Landscheid und Niederkail unter einen Lkw geraten. Der Fahrer ist gestorben. Das war der Auslöser. Wir hatten alle den Wunsch, für schnellere Hilfe zu sorgen und dieses Pilotprojekt zu starten. Mit dabei war damals noch unser drittes Gründungsmitglied Thomas Weber, der wie wir auch Feuerwehrmann war. Unter der Federführung von Alexander Becht, der damals Kreisbereitschaftsleiter war, haben wir uns zusammengesetzt und über Ausbildung und Ausstattung gesprochen. Ein gutes halbes Jahr später ging\'s los. Vom Land wurde das Pilotprojekt mit 500 Euro unterstützt.Jürgen Esch: Anfangs sind wir noch mit Privatautos ausgerückt. Heute ist unsere Ausstattung natürlich ganz anders, und unser Gebiet hat sich vergrößert. In Landscheid sind wir heute zu viert: Zu unserem Team gehören noch Bernhard Burkel und Michael Baum.Wie sieht Ihr Job im Alltag heute aus?Esch: Im Jahr werden wir zu etwa 30 bis 40 Einsätzen gerufen. Von Autounfällen über Suizidversuche bis zu Geburten ist alles dabei.Friedrich: Die Notfallmeldungen sind meistens sehr grob. Da bringt es nichts, sich im Auto schon Gedanken zu machen - man kann nie wissen, was einen erwartet.Esch: Einmal wurde uns eine bewusstlose Person gemeldet, und wir kamen mitten in einen Nachbarschaftsstreit mit Messerverletzung.Friedrich: Stammkunden haben wir auch. Es gibt Menschen, die ziehen das Unglück einfach magisch an. Und dann gibt es natürlich Dinge, die nimmt man mit nach Hause - zum Beispiel als ein zweijähriges Kind ertrunken ist.Können die Menschen mit dem Begriff First Responder überhaupt etwas anfangen?Esch: Viel wichtiger ist, dass wir da sind. Wir retten nachweislich Leben: Wir haben schon Patienten erfolgreich reanimiert, bis dann der Rettungsdienst eintraf. Hin und wieder bedankt sich dann auch jemand bei uns im Nachhinein.Ist das eher eine Ausnahme?Esch: Die Bevölkerung begreift unsere Arbeit als selbstverständlich. Öfter mal eine Rückmeldung wäre zwar schön. Die eigentliche Anerkennung beziehen wir aber aus dem Erfolg unseres Tuns.Friedrich: Manche wollen unsere Telefonnummer, um uns im Notfall direkt anrufen zu können.Wie vereinbaren Sie das Ehrenamt mit der Familie? Esch: Meine Familie steht hinter dem, was ich tue und ist stolz auf mich.Friedrich: Man ist auf das Verständnis des Partners angewiesen. Man sitzt nicht immer zu Hause am Esstisch.Was wünschen Sie sich für die Zukunft der First Responder im Kreis?Friedrich: Wenn man sich anschaut, wie wir angefangen haben, dann klagen wir heute auf hohem Niveau. Nachwuchs ist ein Thema. Für die Ortsvereine wäre es auch eine Entlastung, wenn sie künftig weniger Kosten tragen müssten.Extra

Die Idee der First Responder stammt aus den ländlichen, dünn besiedelten Gebieten in Amerika. Anfang der 1990er Jahre kamen die ersten in Deutschland in der Region München-Land zum Einsatz. Im Kreis Bernkastel-Wittlich war Landscheid 1999 die erste Gemeinde mit First Respondern. Ausgebildet werden die Ehrenamtlichen von den ansässigen Hilfsorganisationen: dem Deutschen Roten Kreuz und dem Malteser Hilfsdienst. Sie stellen zusammen heute mehr als 110 Helfer im Kreis und teilen sich die Einsatzorte - wobei es auch Überschneidungen gibt: Das DRK ist in 33 Gemeinden unterwegs, die Malteser sind in 24 aktiv. Das DRK hat pro Jahr zwischen 450 und 500 Einsätze, die Malteser hatten 2013 mit mehr als 300 Einsätzen ein Rekordjahr zu verzeichnen. Wird in einem der Orte ein Notruf abgesetzt, geht der an die Rettungsleitstelle nach Trier, von dort aus wird der Piepser der First Responder aktiviert. Ausbildung und Ausstattung für das Ehrenamt werden durch das DRK und die Malteser finanziert. Neben einigen Firmen, Institutionen und Privatpersonen unterstützen teils auch die Ortsgemeinden die Hilfsorganisationen, wie beispielsweise Landscheid oder Binsfeld. eibExtra

Jürgen Esch ist 36 Jahre alt und arbeitet als stellvertretender kaufmännischer Direktor im Verbundkrankenhaus Wittlich. Mit Frau und Kind wohnt er in Landscheid. Jan Friedrich ist Brandschutzsachverständiger beim Flugplatz Spangdahlem. Der 37-jährige Landscheider ist verheiratet und hat drei Kinder. Auf die Frage nach ihren Hobbys lachen die beiden - dafür sei kaum Zeit. Die Familie eben, sagen sie. Und Esch ergänzt: "Motorrad fahre ich auch ganz gerne." eib

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