Von der Arztpraxis zur Steuerkanzlei: Historische Jugendstilvilla in der Friedrichstraße aufwendig saniert

Wittlich · Ein Gebäude mit über 100-jähriger Geschichte: Das Haus in der Friedrichstraße 3 in Wittlich wurde bis vor zwei Jahren als Arztpraxis genutzt. Nun haben ein Steuerberater und ein Schreinermeister das stadtbildprägende Gebäude gekauft und saniert.

 Die sanierte Jugendstilvilla in der Friedrichstraße Nummer drei.

Die sanierte Jugendstilvilla in der Friedrichstraße Nummer drei.

Foto: Jasmin Wagner
 Überwachungskamera im 20. Jahrhundert: Über ein kleines rundes Fenster konnten die Hausbewohner beobachten, wer am Hoftor war (rechts).

Überwachungskamera im 20. Jahrhundert: Über ein kleines rundes Fenster konnten die Hausbewohner beobachten, wer am Hoftor war (rechts).

Foto: Jasmin Wagner
 Im Innern der Villa erinnert ein Bild an das Gebäude, wie es vor über 100 Jahren ausgesehen hat.

Im Innern der Villa erinnert ein Bild an das Gebäude, wie es vor über 100 Jahren ausgesehen hat.

Foto: Jasmin Wagner
 Mehrere Gussheizkörper mit Jugendstilornamenten konnten bei der Sanierung erhalten bleiben.

Mehrere Gussheizkörper mit Jugendstilornamenten konnten bei der Sanierung erhalten bleiben.

Foto: Jasmin Wagner
 Frohe Gesichter: Die Mitarbeiter der Steuerkanzlei Kranz-Hau, Vellen und Dohm haben in der sanierten Jugendstilvilla in der Friedrichstraße einen modernen Arbeitsplatz gefunden.

Frohe Gesichter: Die Mitarbeiter der Steuerkanzlei Kranz-Hau, Vellen und Dohm haben in der sanierten Jugendstilvilla in der Friedrichstraße einen modernen Arbeitsplatz gefunden.

Foto: Jasmin Wagner
 In der original Garderobe gibt es stilecht eine Halterung für Spazierstöcke.

In der original Garderobe gibt es stilecht eine Halterung für Spazierstöcke.

Foto: Jasmin Wagner
 In der Küche sind die Jugendstil-Fliesen erhalten worden.

In der Küche sind die Jugendstil-Fliesen erhalten worden.

Foto: Jasmin Wagner

In der Friedrichstraße war Wittlich fast zu Ende. Jedenfalls vor mehr als 100 Jahren. Erst um 1900 wurden am östlichen Stadtausgang die ersten Häuser gebaut. Ein gewisser Bauinspektor Fülles, der auch für das Wittlicher Gefängnis verantwortlich war, plante das Casino in der Friedrichstraße und auch die Villen Nummer eins und drei, die um 1904 fertig gebaut waren. So steht es in einem Buch über Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz.

Der damalige Kreisarzt Dr. Franz Überholz ließ sich in der großzügigen Villa Nummer drei nieder. Von nun an war das Haus fest in Ärztehand. Ab 1953 praktizierte sein Sohn Franzkarl Überholz dort. Er war Vorsitzender der Bezirksärztekammer Trier. Im unteren Geschoss war die Arztpraxis. Oben lebte die Familie. Sein Sohn Dieter wiederum führte die Arztpraxis in dritter Generation, bis der Wittlicher Allgemeinmediziner Dr. Tobias Wild die Räume übernahm, der bis Ende 2013 in diesen Räumen praktizierte.

Damit endete die Ära des Hauses Nummer drei als Arztpraxis. Anfang 2014 wechselte das Haus den Besitzer: Jürgen Vellen, Steuerberater, und Wolfgang Hau, Schreinermeister und Mann von Vellens Kanzleipartnerin Christa Kranz-Hau, kauften das Haus. Die beiden entschieden sich für eine umfassende Sanierung des Gebäudes, da der Zahn der Zeit an der Jugendstilvilla genagt hatte.

Modern und historisch
Vellen, der seit seinem zweiten Lebensjahr in Wittlich lebt, hatte sich immer ein altes Haus gewünscht. Da die Kanzlei in der Schlossstraße zu klein geworden war, war schnell klar, dass die traditionsreiche Villa zur Steuerkanzlei werden sollte.
Bis es soweit war, musste allerdings einiges getan werden: Baugenehmigungen wurden eingeholt. Die Auflagen des Denkmal- und Brandschutzes mussten eingehalten werden. Im Sommer 2014 begannen die eigentlichen Bauarbeiten.
Architekt Thomas Donath, der aus Wittlich stammt und nun in Trier arbeitet, erinnert sich: "Mein mit den Bauherren gemeinsames Ziel war es, so viel Altbausubstanz wie möglich zu erhalten." Dennoch sei es ihnen wichtig gewesen, einen Kompromiss zwischen modern und historisch zu finden: "Ein altes Haus ist schön, aber man muss nicht im Museum leben", sagt Christa Kranz-Hau.

Besonders ihr Mann Wolfgang Hau, der die Bauleitung übernahm, konnte sein Wissen als Schreiner dabei einbringen. Dazu zählten vor allem die große Treppenanlage aus Holz, historische Innentüren mit Zargen, Jugendstilbodenbeläge und Gussheizkörper mit Jugendstilornamenten. Jürgen Vellen weiß noch gut, wie aufwendig es war, die alten Heizkörper wieder herzurichten: "Die sind über sechs Zentner schwer!"

Architekt Donath rekonstruierte auch die Fenster anhand von alten Schwarz-Weiß-Fotos. Bei der Fassade entschloss man sich für Altrosa. "Da haben wir uns einen gestalterischen Spielraum eingeräumt", sagt Donath. Alle Verzierungen, Erker und Giebel wurden fachgerecht erhalten. Christa Kranz-Hau war bei der farblichen Gestaltung auch zunächst skeptisch, aber beim zweiten Hinsehen habe es ihr auch sehr gut gefallen. Auch die Resonanz von Passanten und Kunden der Kanzlei sei gut. Das Haus animiere viele Menschen, Geschichten von früher, noch zu Zeiten des Arztes Überholz, zu erzählen. Weitestgehend versteckt eingebaut wurden eine moderne Lüftungsanlage und alle notwendigen Kabel für eine moderne Bürokommunikation.

Investition: eine Million Euro
Vielleicht nimmt die Kanzlei mit der sanierten Villa auch am Tag des offenen Denkmals im September teil. "Wir müssen mal sehen, wie sich das mit dem Steuergeheimnis vereinbaren lässt", meint Kranz-Hau.
Nach mehr als einem Jahr Bauzeit konnte die Kanzlei Kranz-Hau, Vellen und Dohm einziehen, der seit vergangenem Sommer auch Jan Dohm als Gesellschafter angehört. Mit 400 Quadratmetern Bürofläche und über 100 Quadratmetern Keller, die vor allem als Archiv genutzt werden, konnten alle 20 Mitarbeiter Platz finden. "So eine große Fläche finden Sie sonst nicht in Wittlich", freut sich Vellen.

Rund eine Million Euro hat er zusammen mit Wolfgang Hau investiert. Zuschüsse habe es nicht gegeben. Das Förderprogramm Aktive Stadtzentren reiche nicht bis in die Friedrichstraße.
Wie viel Charme das Gebäude hat, zeigt sich an der Fassade zur Straße hin. Dort ist ein kleines Fenster, das direkten Blick zur Hofzufahrt hat: "Das ist unsere Überwachungsanlage", grinst Vellen. Schon früher habe es so etwas gegeben.

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