Von Rhaunen nach Detroit

Rhaunen/Detroit · Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wanderten zahlreiche Familien aus der Mosel-, Eifel- und Hunsrückregion nach Amerika aus, um sich fern der Heimat eine neue Existenz aufzubauen. Unter diesen Auswanderern befand sich im Jahr 1880 auch eine jüdische Familie aus Rhaunen, deren Sohn einer der bedeutendsten Industriearchitekten der Moderne wurde.

Rhaunen/Detroit. Momentan findet in der US-amerikanischen Automobilmetropole Detroit/Michigan die North American International Auto Show 2015 statt. Die Stadt ist weltbekannt für ihre großen Automobilhersteller General Motors, Ford und Chrysler. Diese errichteten bereits Anfang des 20. Jahrhunderts große Produktionsstätten für eine Massenherstellung von Kraftfahrzeugen.
Was hierzulande von besonderem Interesse ist: Einige der ältesten und bedeutendsten Automobil-Fabriken Michigans, wie die Ford Highland Park Plant oder Packard Motor Car Company Plant, wurden von einem bekannten aus dem ehemaligen Landkreis Bernkastel stammenden Architekten Albert Kahn entworfen. Kahn wurde am 21. März 1869 als erstes von sieben Kindern der Eltern Rosalie und Joseph Kahn in Rhaunen geboren. Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten beschloss die jüdische Familie im Jahre 1880, in die Vereinigten Staaten von Amerika auszuwandern. In Detroit angekommen suchte Alberts Vater vergeblich nach einer Anstellung als Rabbiner und arbeitete daraufhin unter anderem als Obsthändler. Auch Albert Kahn musste bereits im Alter von elf Jahren arbeiten. Er verdingte sich als Kellner und Stallbursche. Seine berufliche Laufbahn als Architekt begann er zunächst mit einer Tätigkeit als Bauzeichner. Nach einer vierjährigen Lehre im Detroiter Architekturbüro Mason & Rice gewann er im Jahre 1891 ein Reisestipendium der Zeitschrift "American Architect and Building News".
Die einjährige Studienreise nach Westeuropa absolvierte er zusammen mit Henry Bacon, dem späteren Erbauer des Lincoln Memorials. Im Anschluss an seine Rückkehr in die USA erhielt Kahn eine Anstellung als "Chief Designer" bei Mason & Rice. 1895 machte sich der ehemalige Hunsrücker selbständig und gründete in Partnerschaft mit George W. Nettleton und Alexander B. Trowbridge eine eigene Firma. Auch seine Brüder Julius, ein Fachmann für Betonarmierungen, sowie Moritz Kahn arbeiteten im Architekturbüro "Albert Kahn Associates (Detroit)" mit.
In den folgenden Jahren entwickelte das Büro eine innovative Bauweise ("Kahn-System"), die richtungsweisend für die Industriearchitektur des 20. Jahrhunderts werden sollte. Diese Bauweise nutzte Kahn bereits im Jahre 1903 zur Konstruktion einer Automobil-Fabrik für die Packard Motor Car Company in Detroit.
Dabei ermöglichte ein aus Stahlbeton bestehendes Gerüst aus Stützen und Decken ("Stahlbetonskelett") den Einbau großer Glasflächen in das Bauwerk.
Auf diese Weise konnte die Ausleuchtung der Arbeitsplätze verbessert und der Brandschutz erhöht werden. Darüber hinaus ließen sich die Produktionsanlagen besser ein- und ausbauen.
Stadt- Geschichte(n)


Mit dem Bau der Packard-Fa-brik machte Kahn den Automobilpionier Henry Ford auf sich aufmerksam. Dieser engagierte ihn im Jahre 1908 für die Konstruktion einer riesigen Fabrik zur Massenfertigung des sogenannten "Model T". Dabei orientierte sich das Design des neuen Ford-Werkes in Highland Park/Michigan an der bestehenden Fabrik der Packard Motor Car Company. Für die spätere Planung einer weitaus größeren Ford-Fabrik am River Rouge beauftragte Ford ebenfalls den aus dem Hunsrück stammenden Architekten. Die von Kahn entwickelten Industriebauten und Verwaltungsgebäude lösten ein weltweites Interesse an der Arbeit des Architekten aus. So errichtete er in den Jahren 1929 bis 1932 über 500 Fabriken in der ehemaligen Sowjetunion.
Darüber hinaus betätigte er sich in Brasilien, Schweden, Frankreich, China, Japan und Australien. In den 1930er Jahren zählte "Albert Kahn Associates" mit mehr als 450 Mitarbeitern zu den größten Architekturbüros der Vereinigten Staaten von Amerika. Während des Zweiten Weltkrieges arbeitete die Firma im Auftrag des US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt und plante Flugzeugfabriken für B-24 Bomber sowie Marinestützpunkte.
Albert Kahn starb am 8. Dezember 1942 im Alter von 73 Jahren in Detroit. Ein jüngerer Bruder übernahm später die bis heute bestehende Firma. Sie besitzt Niederlassungen in Detroit, Birmingham (Alabama) und São Paulo.
Extra

 Der deutsche Auswanderer Albert Kahn .Foto: Heiko Theobald

Der deutsche Auswanderer Albert Kahn .Foto: Heiko Theobald

In der von Albert Kahn entworfenen Automobilfabrik Highland Park Plant führte Henry Ford im Jahre 1913 die Fließbandproduktion des "Model T" ("Tin Lizzie") ein. Das zwischen 1908 und 1927 in einer Auflage von über 15 Millionen Stück produzierte Automobil trug maßgeblich zur Massenmotorisierung der US-amerikanischen Bevölkerung bei. Im Jahre 1929 errichtete Ford in Zusammenarbeit mit Albert Kahn eine noch größere Fabrik in Dearborn/Michigan. In der River Rouge Plant wurde das "Model A" als Nachfolger der "Tin Lizzie" gebaut. phi

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