Von Schnurrbartträgern in der Eifel - "Russendisko"-Autor Wladimir Kaminer kommt nach Greimerath

Wittlich · Im Rahmen der Eifelkulturtage liest Autor Wladimir Kaminer in Greimerath (Verbandsgemeinde Manderscheid). TV-Redakteur Hans-Peter Linz hat mit ihm über die Eifel, Wein, Wodka und die russische Seele gesprochen.

Wittlich. Wladimir Kaminer ist am Samstag, 18. Mai, in der kleinen Eifel-Gemeinde Greimerath zu Gast. Um 20 Uhr liest der aus Moskau stammende Schriftsteller im Bürgerhaus des Ortes über "Onkel Wanja und Co."

Herr Kaminer, Sie sind gebürtiger Moskauer, leben in Berlin und kommen nun in den beschaulichen Ort Greimerath. Was halten Sie vom Leben auf dem Land?
Kaminer: Ich war schon immer ein großer Fan vom Landleben. Wir mussten leider unseren Schrebergarten in Berlin abgeben wegen spontaner Vegetation. Da gab es immer mehr Prüfungskommissionen, die das kritisierten. Nun haben wir einen neuen Garten draußen in Brandenburg auf dem Land gefunden. Das ist ein großes Grundstück und da kann jeder spontan vegetieren. Die Kirschen sind zum Beispiel schon durchvegetiert. Mein Sohn ist zum Beispiel ein großer Fan von Meerrettich. Eine Pflanze, die gut aussieht und gut schmeckt.

Wie kamen Sie eigentlich auf Greimerath?
Kaminer: Ich bin viel auf Reisen. Gerade zu solchen Orten, wo jeder drei Mal nachfragt, wie der Ort denn heißt. Die Menschen, die in solchen Orten leben, sind in der Regel die friedlichsten und die herzlichsten! Dort ist die Sprache der Natur sehr nahe. Die Leute erzählen dort lieber - in der Stadt, da schweigen die Menschen. Deshalb fahre ich gern in kleine Dörfer, denn da ist eigentlich die echte Kultur. Deshalb will ich auch Greimerath zum kulturellen Zentrum Deutschlands machen, zumindest mal für einen Abend.

Was für eine Vorstellung haben Sie von der Eifel? Waren Sie schon mal hier? Die Eifel wird ja auch manchmal "preußisch Sibirien" genannt …
Kaminer: Ich war schon oft in der Eifel. Wir haben durch meine Frau viele Freunde in Köln und da fährt man gerne in die Eifel, um Urlaub zu machen. Deshalb fühle ich mich da sehr wohl. In der Eifel gibt es sehr entspannte, zurückhaltende Menschen. Die sitzen im Sommer draußen vor ihren Häusern auf Bänken, trinken Bier und schauen in den Himmel. Man sieht dort übrigens noch viele Schnurrbartträger.

Tragen Sie auch einen?
Kaminer: Nein, ich bin meistens glatt rasiert - vielleicht sollte ich es mal versuchen …

Nun, womit können die Greimerather Ihnen denn eine Freude machen? Moselwein, Eifel-Bier oder doch lieber Wodka?
Kaminer: Mit Moselwein, keine Frage! Als Russe bin ich natürlich ins Wodka-Klischee reingeraten. Wir trinken gern und oft, aber eben keinen Wodka. Der hat doch gar keinen Geschmack und ist uninteressant. Ich leide regelrecht darunter, dass die Leute mir immer Wodka anbieten.

Was hat es eigentlich mit der großen russischen Seele auf sich? Ist die wirklich größer als zum Beispiel die deutsche oder die belgische Seele?
Kaminer: Die russische Seele ist eine deutsche Erfindung. Man muss das mal von außen sehen. Das ist ein Ausdruck für den besonders leidensvollen und sehr eigenen Weg, den das russische Volk geht. Kriege, Revolutionen. Ständig gab es Auseinandersetzungen zwischen Staat und Volk. Beide Parteien waren nie auf derselben Seite, von Anfang an nicht. Immer sind irgendwelche Schurken da. Deswegen leidet die russische Seele, deshalb gibt es so viele Lieder und Gedichte.

Wovon werden Sie in Greimerath erzählen?
Kaminer: Ich will eigentlich immer neue Geschichten erzählen. Das, was schon gedruckt ist, kennen die Leute ja schon. Der Reiz ist ja, was Neues zu erzählen. Ein großes Thema ist die Pubertät meiner Kinder. Sebastian ist 14, Nicole 16 und ich pubertiere mit ihnen. hpl
Karten für die Lesung im Rahmen der Eifel-Kulturtage gibt es in den TV-Service-Centern Bitburg und Trier.Extra

Wladimir Wiktorowitsch Kaminer wurde am 19. Juli 1967 in Moskau geboren. Er ist ein deutscher Schriftsteller und Kolumnist russisch-jüdischer Herkunft. Mit seinen Erzählbänden "Militärmusik" und "Russendisko" ist er über Grenzen Deutschlands hinaus bekannt geworden. Kaminer schreibt seine Texte in deutscher Sprache und nicht in seiner Muttersprache Russisch. Bis Juli 2010 wurden 2,9 Millionen seiner Bücher verkauft. Allein "Russendisko" hatte bis März 2012 eine Gesamtauflage von über 1,3 Millionen. red

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