Vor 20 Jahren: Eisige Flutwelle schockt die Moselaner

Alf · Am Samstag, 21. Januar, jährt sich ein Naturereignis, das im Moselort Alf vor 20 Jahren zu einer Katastrophe führte. Nach zweistelligen Minusgraden hatten sich auf der Mosel Eisschollen gebildet, der Fluss fror schließlich ganz zu. Als Tauwetter einsetzte, kam es zu einem Wasserstau. Betroffen war die Gemeinde Alf. Wir erinnern an das Ereignis.

 So sah es vor 20 Jahren aus: Die Mosel ist eine bizarre Eislandschaft. Das Foto entstand bei Briedel, wo die Fähre von großen Eisschollen eingeschlossen wurde.

So sah es vor 20 Jahren aus: Die Mosel ist eine bizarre Eislandschaft. Das Foto entstand bei Briedel, wo die Fähre von großen Eisschollen eingeschlossen wurde.

Foto: Winfried Simon

Der strenge Winter 1997 ist vielen Moselanern noch gut in Erinnerung. Wochenlang herrschte eine klirrende Kälte, nachts fielen die Temperaturen in den zweistelligen Minusbereich. Anfang Januar hatte sich auf der Mosel eine dicke Eisschicht gebildet. Zunächst brachen Spezialschiffe die Schollen immer wieder auf, doch der eisige Winter zeigte sich hartnäckig. Die Mosel fror komplett zu, die Schifffahrt musste eingestellt werden.

In vielen Orten trauten sich die Menschen aufs Eis, einige holten die längst verstaubten Schlittschuhe wieder vom Speicher und drehten ihre Runden auf der Mosel. Die Zeller feierten mit Glühwein und heißen Würstchen ein kleines Fest auf der zugefrorenen Mosel. Mitte Januar setzte Tauwetter ein. In einigen Orten wie Briedel und Pünderich war die Mosel nicht "glatt zugefroren", vielmehr hatten sich die Eisschollen übereinander geschoben und bildeten eine bizarre Eislandschaft.

Die Angst vor einem Eisgang ging um. Dieser tritt ein, wenn sich die Eisschollen ineinander verkeilen und so die Strömung behindern. Es kann zu einem gewaltigen Wasserstau kommen. Die unmittelbar vor einem solchen Stau gelegenen Orte können binnen kürzester Zeit überschwemmt werden.

Am 21. Januar trat die Katastrophe trat ein. Vor der Staustufe St. Aldegund kam es zu dem befürchteten Eisstau. Die Eisschollen ließen kein Wasser mehr durch, der Fluss stieg rasend schnell an. Springflutartig lief die braune Brühe in den Ort Alf, innerhalb von 20 Minuten war halb Alf überflutet. Ein Polizist schilderte das Ereignis: "So etwas habe ich noch nicht erlebt. Wir konnten gar nicht schnell genug davonlaufen." Etwa 150 Häuser wurden in dem Ort, der in einer kleinen Senke liegt, vom Wasser eingeschlossen. Gerade einen halben Tag dauerte der Spuk, fast genauso schnell wie die Mosel in den Ort stürzte, zog sie sich wieder zurück.

Die große Eisversetzung, die zwei Wochen vor Briedel fest saß, hatte sich gelöst und zunächst die Stadt Zell problemlos passiert. Doch hinter Alf kamen die Eisbrocken zum Stillstand und ließen für wenige Stunden kein Wasser mehr durch. Knapp zwei Stunden nach dem Eisstau bot sich den Alfern erneut ein überwältigendes und beängstigendes Schauspiel. Wie von einer riesigen Geisterhand angeschoben, setzen sich die Eismassen, dem Druck nicht mehr standhalten konnten, plötzlich wieder in Bewegung. Laut krachend schlugen die Brocken gegen die Leitplanke der Bundesstraße. Ein ungeheuer starker Sog entstand in dem überfluteten Alf, als ob jemand einen riesigen Stöpsel gezogen hätte. In wenigen Minuten sank der Pegel um einen Meter.

Zurück blieben nach dem Eisgang in Alf Dreck und Zerstörung - und riesige Eisschollen. Zwischen St. Aldegund und Alf, Zell, Briedel und Pünderich türmten sich ganze Berge von mannshohen Eisbrocken. Glück hatten die Orte der Mittelmosel. Auch vor den Staustufen Enkirch und Zeltingen hatten sich die Eisbrocken festgesetzt, die, nachdem sie sich in Bewegung gesetzt hatten, die unterhalb gelegenen Ortschaften bedrohten. Doch mehr als einige überflutete Keller und ein vom Wasser heimgesuchtes Auto waren dort nicht zu beklagen.

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