Vor allem Trier macht Morbach Konkurrenz

Morbach · Mehr als zwei Jahre lang begleitete der Marketing-Berater Karl J. Eggers die Bemühungen in der Gemeinde, sich fit zu machen für die Zukunft. Im Gespräch mit dem TV zieht Eggers eine Bilanz.

 Morbach ist nach Einschätzung von Karl J. Eggers besser als manche andere Kommune auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet. TV-Foto: Ilse Rosenschild

Morbach ist nach Einschätzung von Karl J. Eggers besser als manche andere Kommune auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet. TV-Foto: Ilse Rosenschild

(iro) Auf den ersten Blick nimmt die Bevölkerungszahl in Morbach nach einer Prognose des Statistischen Landesamts bis zum Jahr 2020 nur geringfügig ab, und zwar um ein Prozent. Schaut man sich die Einwohner unter 20 Jahre an, wird es kritischer. Die Zahl der jungen Einwohner geht im selben Zeitraum um 15,7 Prozent zurück.Wie sich Morbach generell auf diese Situation vorbereitet hat, darüber sprach die TV-Redaktion mit dem Marketing-Berater Karl J. Eggers.

Die Bevölkerung schrumpft. Und sie wird älter. Wo liegen die größten Gefahren für Morbach?

Eggers: Wie in allen Kommunen in ländlichen Räumen mit geringer Bevölkerungsdichte wird es mit rückläufiger Einwohnerzahl schwierig, Dichte und Qualität der Infrastruktur aufrechtzuerhalten. Das reicht von der Ausstattung von den Schulen und Kindergärten über Schwimmbäder und den öffentlichen Nahverkehr. Ein Abbau würde die Attraktivität der Gemeinde mindern. Dem muss man entgegenwirken.

In Arbeitskreisen wurden Konzepte zum Gegensteuern entwickelt. Was war die originellste Idee?

Eggers: Ein Projekt mit starker Signalwirkung war die Entscheidung von Bürgermeister Eibes, den Bedarf der Verwaltung in Morbach zu decken, wann immer das rechtlich zulässig und wirtschaftlich vertretbar ist. Es wäre viel gewonnen, wenn auch Bürger und auch die Unternehmer vorrangig in Morbach einkaufen würden.

Welche Idee hatte keine Chance?

Eggers: Es stimmt. Nicht alle in den Arbeitskreisen produzierten Ideen konnten gleich umgesetzt werden. Mancher Vorschlag bekommt sicher seine Chance, wenn seine Zeit gekommen ist. Wir empfehlen, ein Ideenbuch zu pflegen und immer wieder hereinzuschauen.

Ein wesentlicher Bestandteil des Vorhabens ist das Standort-Marketing. Herr Eggers, welche Schulnote würden Sie dem Standort Morbach geben?

Eggers: Die Bürger haben dem Wohn- und Einkaufsort Morbach in der Befragung Bestnoten gegeben, im Durchschnitt eine 2,2. Dem Urteil der Bürger schließe ich mich an.

Was ist aus Ihrer Sicht die größte Stärke von Morbach?

Eggers: Es gibt mehrere. Das sind unter anderem der stabile Arbeitsmarkt, eine gute Mischung mittelständischer Unternehmen, ein mitgliederstarker Gewerbe- und Verkehrsverein, eine vorausschauende Verwaltung und ein gutes Klima zwischen Wirtschaft und Verwaltung.

Das waren die Pluspunkte. Woran muss Morbach arbeiten?

Eggers: An der Aufrechterhaltung einer hohen Qualität des Angebots im Handel und im Dienstleistungsbereich sowie an der Gemeinschaftswerbung.

Welches sind denn die stärksten Wettbewerber?

Eggers: Aktuelle Zahlen über die Kaufkraftbewegungen liegen uns für Morbach nicht vor, aber die Bürgerbefragung bietet Anhaltspunkte. Danach gelingt es den Morbacher Anbietern in den Bereichen Apotheke, Lebensmittel, Handwerkerleistungen, Banken, Blumen/Gartenbedarf, Brillen/Optik und Drogerieartikel am besten, Kaufkraft vor Ort zu binden. Trier zieht Kaufkraft vor allem bei Bekleidung, Freizeit- und Sportartikeln und Spielwaren aus Morbach ab. Idar-Oberstein fällt nur bei Bau- und Heimwerkerbedarf ins Gewicht. Bernkastel-Kues und Wittlich spielen als Wettbewerber kaum eine Rolle.

Welche Rolle spielt das Internet?

Eggers: Bei Büchern, Reisen und Computern ist das Internet für mehr als zehn Prozent der befragten Morbacher inzwischen als Einkaufsquelle von Bedeutung. In allen anderen Branchen ist das Angebot so gut, dass der Vorteil des Internets noch relativ gering ist.

Trotzdem müssen die Kaufleute sicher gegensteuern?

Eggers: Den Kaufkraftabfluss kann man in Grenzen halten, wenn das örtliche Angebot attraktiv ist und wenn die Akteure dies durch konsequente Gemeinschaftswerbung kontinuierlich bewusst machen.

Mit welchen Pfunden sollen die Geschäftsleute wuchern?

Eggers: Ich rate, vor allem den größten Vorteil der Morbacher Anbieter am Markt auszuspielen: die räumliche Nähe und die persönliche Verbindung zu den Einwohnern.

Welches ist aus Ihrer Sicht der wichtigste Erfolg Ihrer Arbeit?

Eggers: Die Schaffung der Grundlagen für systematisches Marketing mit der Verwaltung, den Unternehmern und Bürgern, die sich an den Befragungen beteiligt haben.

Wann ist das Projekt abgeschlossen?

Eggers: Der Prozess darf nicht aufhören, denn der Wettbewerb der Standorte geht weiter. Wirtschaftsstrukturwandel und demografischer Wandel werden ihn noch verschärfen. Morbach erscheint mir besser vorbereitet als viele andere Gemeinden.

Extra

Demografieprojekt

In vier Arbeitskreisen wurden Ideen entwickelt. Am Anfang stand ein Steckbrief, der die Idee so konkret wie möglich beschrieb. Doch manchmal nahm ein Vorhaben eine überraschende Wendung. Aus der "Stärkung des Schulstandorts" wurde schließlich die Integrierte Gesamtschule. Angeschoben wurde auch die Jugendberufshilfe. Schulsozialarbeiterin Kerstin Kettern hilft Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz unter anderem bei Bewerbungsschreiben. Die Kooperation zwischen Schule und Wirtschaft wurde ausgebaut. Auch das "Haus der Jugend" und der Jugendpfleger wurden vorangetrieben. Die Gemeinde kooperiert mit dem Gewerbe- und Verkehrsverein. Eine gemeinsame Einkaufstüte wurde auf den Weg gebracht. Erfolgreich bewarben sich 26 Händler als "1a-Fachgeschäft" sowie die Gemeinde Morbach als "1a-Einkaufsstadt". Programme zur Förderung erneuerbarer Energien und zur Stärkung der Ortskerne wurden aufgelegt. Hinzu kam ein Vitalisierungsprogramm zur Belebung des Zentrums, das inzwischen Geschäftsgründerprogramm heißt. Geplant wurde ein Forstbetriebshof. In dem Zusammenhang entstand auch die Idee für ein Nahwärmenetz. (iro)

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