Wahlkampf - und keiner merkt’s? - Bürgermeistersuche in Wittlich

Wittlich · Analyse: Die Bürgermeistersuche in Wittlich, warum sich das Interesse in Grenzen hält und eine große Bürgerbeteiligung wichtig ist.

Wittlich "Kraftzentrum" - so nennt der aktuelle Bürgermeister die Stadt Wittlich. Seit acht Jahren füllt Joachim Rodenkirch auf Wunsch der Wittlicher diesen Job aus, der bei der vorherigen Wahl hoch begehrt war: Sechs Männer wollten ihn.

Und nun? Ist das Kraftzentrum nicht attraktiv? Was ist passiert? Am Salär kann's nicht unbedingt liegen: Die Besoldung beginnt mit B 2, also 6893,97 Euro aufwärts (noch ohne Zulagen) bis B 3, was 7730 Euro entspricht.
Woran liegt das Desinteresse dann? Der damals parteilos angetretene Rodenkirch ist mittlerweile in der CDU aktiv. Geschadet hat's ihm nicht. Ein Grund ist das "Wir-Gefühl", das Rodenkirch selbst als Ziel schon in seinem Wahlkampf 2009 ausgegeben hat. Das hat die Reihen geschlossen. Zumindest die meisten Beschlüsse der im Stadtrat vertretenen Fraktionen oder Gruppierungen - als da sind CDU, SPD, Grüne, FWG, FDP, die Linke - sind einstimmig. Es geht harmonisch zu. Unter dem Wir-Gefühl wird - zumindest öffentlich - politischer Streit erstickt. Man könnte das auch konfliktscheu nennen.

Wenn das so ist, ist das aber Sache der Räte, nicht des Bürgermeisters. Jedenfalls will Joachim Rodenkirch als erster Mann der Stadt weitermachen, und das ist offensichtlich kein Problem: Die stärkste Fraktion im Stadtrat steht hinter ihm, die anderen haben nichts Besseres. Es heißt, man müsse es so sehen: Kein Gegenkandidat habe eine ernsthafte Chance gegen Rodenkirch, man wolle niemanden verheizen. Antreten um des Antretens willen? Nein danke.

Nur einer hat sich gemeldet, der Dauerwahlkämpfer Stephan Henkel. Er hat auch 2009 versucht, Wittlichs Bürgermeister zu werden. Das Ganze hat ihm wohl als sporadische Beschäftigung gefallen. Er hat auch bei folgenden Wahlen ähnlichen Kalibers seine Person ins Spiel gebracht. Das kann man mehr oder weniger originell finden. Der Würde des jeweiligen Amtes hat es nicht geschadet. Nun, bekanntlich ist Henkel als Kandidat für das Amt des Bürgermeisters der Verbandsgemeinde Wittlich-Land und auch als Landrat für Bernkastel-Wittlich gescheitert. Doch totale Aussichtslosigkeit schreckt ihn nicht.

Immerhin: Für die ansonsten üblichen Wahlkampfrituale ist er gern zu haben, wenn sie ihm eine Bühne bieten, und das gilt ja für alle Kandidaten in solchen Fällen.

Doch die großen Rituale gibt es aktuell in Wittlich so gut wie nicht. Manchem scheint dabei nicht klar zu sein, dass sie nicht per se oder gar staatlich verordnet stattfinden. So existiert eine offizielle Mail-Anfrage des Vorsitzenden des Linken-Kreisverbandes an den Wittlicher Wahlleiter. Darin heißt es: "Bitte teilen Sie uns die Termine (Veranstaltungsort, Datum, Uhrzeit) mit, zu denen Podiumsdiskussionen oder ähnliche Veranstaltungen geplant sind, damit die Wählerinnen und Wähler sich im Rahmen des demokratischen Prozesses eine Meinung zu den politischen Einstellungen und Vorhaben der Bewerber bilden können." Das klingt schon absurd. Eine Partei wünscht sich, dass ein Wahlleiter, der unabhängig sein sollte, PR-Arbeit leistet? So könnte man es auffassen.

Absurd ist auch anderes: Etwa wenn der parteilose Kandidat Henkel, kritisiert, dass die FDP sich während einer Stadtratssitzung für den jetzigen Bürgermeister ausspricht und das in der Presse dokumentiert wird. Das sei "unerlaubte Wahlwerbung". Findet deshalb eine Wahlwerbung in eigener Sache bei Henkel so gut wie nicht statt? Immerhin ist er der einzige einigermaßen Unbekannte im Rennen. Wer sich vom amtierenden Bürgermeister bislang kein Bild gemacht hat, dem ist mit einer "Podiumsdiskussion oder ähnlichen Veranstaltung" nicht wirklich zu helfen. Sie könnte aber Henkel ein Forum bieten. Doch der bevorzugt selbst andere Darstellungsformen.

Nun denn. Jedoch dass jemand, der mitten in der Stadt wohnt, dort auch herumläuft oder steht und das als "Kundgebung" ausgibt, kann man zwar Wahlkampf nennen, es wird dadurch aber keiner. Erlaubt ist es naturgemäß, da gibt es nichts zu meckern. Und reicht es als Interesse an der Leitung einer Stadt, sporadisch Anfänge von Stadtratssitzungen zu besuchen, Mails zu versenden beziehungsweise auf Facebook etwas zu erzählen?
Gut ist, dass Demokratie diese Form der Selbstdarstellung erträgt, auch die Freiheit vorsieht, diese schlicht zu ignorieren.

So gilt für Wittlich: Gäbe es nicht die demokratischen Prozesse, wie etwa die offiziellen Wahlbenachrichtigungen an die Wittlicher, die Nominierung des Kandidaten Rodenkirch durch die CDU, den Hinweis von Henkel, dass er kandidiert, nebst der öffentlichen offiziellen Bekanntmachungen zur Aufstellung und Zulassung der Kandidaten, man wüsste womöglich gar nicht, dass turnusgemäß eine Neuwahl anstünde. Stopp. Nicht ganz.

Es gibt sie doch noch, die offiziellen Wahlplakate. Allerdings ausschließlich vom Amtsinhaber Rodenkirch, der an den großen Straßen und Plätzen von ihnen herablächelt, auch wenn die üblichen angeblichen Spaßvögel ihm schon mal schwarze Zähne und so weiter aufmalen. Interessant ist die Konzentration seiner Wahlwerbung auf eine Aussage: "Wählen gehen ist Ehrensache."

Stimmt. Nicht nur, weil es für den Amtsinhaber blamabel wäre, würden nur sehr wenige Wittlicher die Notwendigkeit sehen, ihm ein Ja zu geben.

Tatsächlich wäre es ein demokratisches Trauerspiel, würden die Wittlicher ihr Recht nicht ausüben, nur weil aktuell die Auswahl ist, wie sie ist, und einer der Bewerber womöglich nur mit einer Art Showeffekt für sich geliebäugelt hat.

Immerhin: Die Wittlicher haben noch eine Wahl und dürfen sich entscheiden. Das sollte man als Demokrat immer und gerade heutzutage ernst nehmen - und am Sonntag wählen gehen. Das ist mehr als eine kleine Geste fürs Kraftzentrum. Stellenangebot: Bürgermeister/in für Wittlich gesucht

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