Warenhaus in Miniatur-Ausgabe

Schuhriemen, Hemdsknöpfe, Stecknadeln und Streichhölzer - im ersten Wittlicher Warenhaus gab es allerlei für den täglichen Gebrauch. Und sein Besitzer Hilarius Kranz war bekannt wie ein bunter Hund.

Wittlich. Im Kirmesheft ist ein Artikel "Von dem ersten Warenhaus in Wittlich" und seinem Besitzer, Hilarius Kranz, genannt und bekannt als "Kranzen Hillgerd", der vor Jahrzehnten zu den populärsten Persönlichkeiten in Wittlich zählte. Als Besitzer eines Warenhauses in Miniatur-Ausgabe, eines "Bauchladens" von 60 Zentimetern Breite, 40 Zentimetern Länge und 20 Zentimetern Tiefe.

In diesem "Warenhaus" gab es zum Beispiel Schuhriemen, Hemdsknöpfe, Stecknadeln und Streichhölzer zu kaufen. Auch sonstige Artikel aus der Kurz-, Weiß- und Wollwarenbranche gab es zu günstigen Preisen. Zeitweise hatte Kranz die Generalvertretung der weit bekannten Spezialität "Lieber Heinrich" und von "Schirmpflaster". Sein Geschäftsbereich außerhalb von Wittlich erstreckte sich über Plein, Gipperath, Hasborn, Diefenbach Flußbach und Lüxem, die er per pedes abklapperte.

Seine Wochenumsätze, so ist zu lesen, erreichten zwei bis drei Mark, trotz hervorragender Anstrengung.

Monatelang hatte er einen auffallend guten Umsatz mit Streichhölzern, die er (in glücklicheren Zeiten) zu zwölf Pfennig das Paket mit zehn Schachteln einkaufte, und für zehn Pfennig wieder weiterverkaufte. Als ihn ein wohlmeinender Kunde auf seinen offensichtlichen Irrtum aufmerksam machen wollte, lehnte Hillgerd das stolz ab, mit der Begründung: "Die Masse muss es bringen."

Viele gute Menschen haben das aber nicht ausgenützt. In manchen Jahren der Not wurde er von braven Bauersleuten seines "Vertretungsbezirks" immer ein wenig aufgefüttert. Seinem Beruf als Warenhausbesitzer und Lebenskünstler blieb er bis zu seinem seligen Ende treu. Niemandem fiel er zur Last.

Im Wittlicher Tageblatt von Dienstag, 27. März 1934, ist unter anderem zu lesen: "Ein braver Mitbürger, ein wahrer Sonderling, hat am ersten Frühlingssonntag nach einem arbeitsreichen Leben das Zeitliche gesegnet: Hilarius Kranz, oder besser: ,Kranzen Heljartchen'".

Er wohnte in der Oberen Kordel als ehrsamer Junggeselle. Sicher kein Genießer, mit dem Allernotdürftigsten stets zufrieden, leuchtete doch ein stilles Glück aus ihm heraus. Jedermann kannte ihn, und er erfreute sich ungeteilter Beliebtheit.

Schon seine äußere Erscheinung erregte Aufmerksamkeit. Es gibt keine Kleiderkombination, die ihm unmöglich erschienen wäre: die sonderbarsten Hutformen, die gewagtesten Kragen, und Schlipse, Westen, Hosen, Gamaschen, Schuhe, Röcke und Mäntel, ob sie passten oder nicht, hatten es ihm angetan, sonntags wie werktags, sonntags bloß in besserer Garnitur. So wie er sich musterte, fiel er jedem auf, dem er begegnete. Aber das war nur äußerlich.

Inwendig trug er ein goldenes Herz. Sein Inneres stand vollkommen im Senkel, ohne Furcht und Tadel. Leben und leben lassen war sein Grundsatz. Er war d a s Original von Wittlich.

Der umfangreiche Nachruf endet mit der Überzeugung: "dass er sozusagen mit Schuhen und Strümpfen in den Himmel kommt".

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