Was wusste der Vollzugsbeamte?

Wittlich · Ein Fehler: ja. Aber auch eine Straftat? Ein derzeit suspendierter Mitarbeiter des Wittlicher Gefängnis muss sich zurzeit vor dem Amtsgericht Wittlich wegen des Verdachts des Drogenschmuggels und der Bestechlichkeit verantworten. Der 42-Jährige weist die Vorwürfe von sich. Weil ein Hauptbelastungszeuge gestern nicht erschien, vertagte das Gericht den Prozess.

Wittlich. Die Gegensätze könnten nicht größer sein. Lautes Gelächter dringt am Donnerstagnachmittag aus dem Besprechungszimmer, in das sich das Gericht normalerweise zur Urteilsberatung zurückzieht. Der vorsitzende Richter, die beiden Schöffen, Staatsanwaltschaft und Verteidigung haben sich zu einem Rechtsgespräch zurückgezogen. Offenbar eine amüsante Angelegenheit. Ganz anders dagegen die Miene des Mannes, um den sich gestern im Sitzungssaal 1 des Wittlicher Amtsgerichts alles dreht: Der 42-jährige, vom Dienst suspendierte Beamte der Justizvollzugsanstalt (JVA) Wittlich sieht mitgenommen aus. Das Verfahren gegen ihn wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und des Besitzes sowie der Abgabe von Betäubungsmitteln setzt ihm sichtlich zu. Seine Zukunft steht auf dem Spiel, sein Job, seine Rentenansprüche. Wenn er schuldig gesprochen wird, endet das derzeit ruhende Disziplinarverfahren wohl mit seiner Entfernung aus dem Dienst.
Fest steht: Der 42-Jährige hatte mehrfach Häftlingen der JVA etwas mitgebracht. Tabak und Kaffee. Ein Fehler zweifelsohne, der auf jeden Fall disziplinarische Konsequenzen nach sich ziehen wird. Aber auch eine Straftat? Als Angestellter der JVA wurde sein Rucksack nicht überprüft. Anders im September 2013, als die Polizei nach einem Hinweis tätig wurde und bei dem Beamten ein Paket fand. Darin: Zigaretten, Haargummis, Lakritz - und in der Lakritzdose versteckt eben auch 17 Gramm Haschisch.
Doch wusste der Angeklagte von dem genauen Inhalt des Päckchens? Der Häftling, für den die Drogen bestimmt waren, verweigert die Aussage. Seine Schwester, die dem Beamten das Paket übergeben hatte, sagt als Zeugin aus und betont: "Ich denke nicht, dass der Angeklagte gewusst hat, was in dem Paket war." Sie habe lediglich Zigaretten, Haargummis und Lakritz erwähnt - so wie offenbar auch schon bei einem früheren Treffen, bei dem sie dem Beamten ebenfalls ein Paket mitgab, das er dann auch bei dem Bruder ablieferte. Darin seien ebenfalls Drogen im Wert von 50 Euro gewesen, sagt die Zeugin gestern. Als Dank für seinen abermaligen Botendienst habe sie dem Angeklagten eine Dose Lakritz geschenkt, berichtet sie. Eine Gegenleistung, die den Tatbestand einer Bestechlichkeit erfüllt?
Richter Stefan Ehses bohrt nach, will wissen, ob der Angeklagte für seine Hilfe etwas gefordert habe. "Das habe ich von mir selbst aus gemacht - nicht, weil er danach gefragt hat", beteuert die Zeugin. Doch vielleicht konnte der Angeklagte zumindest ahnen, was er da ins Gefängnis schmuggelte: Denn ein damaliger Häftling, mittlerweile wieder auf freiem Fuß, hatte vor dem Prozess behauptet, den Beamten schon vor dessen Auffliegen gewarnt zu haben - ausgerechnet vor dem Häftling, dem der 42-Jährige dann Haschisch mitbringen sollte. Dieser habe nach wie vor mit Drogen zu tun, soll der Informant gesagt haben. Trifft diese Aussage zu, hätte der Angeklagte damit rechnen müssen, dass in dem Paket Hasch versteckt war.
Das macht den Ex-Häftling zu einem wichtigen Zeugen. Doch er erscheint gestern nicht vor Gericht - trotz Ladung. Zeichen dafür, dass Zweifel an dem Wahrheitsgehalt seiner Aussage angebracht sind? Zumindest steht ein Fragezeigen hinter der Glaubwürdigkeit des Zeugen: Zwei andere JVA-Beamte berichten vor Gericht über eine groß angelegte Durchsuchung in der Wäscherei der JVA. Initiiert von eben jenem Informanten, der auf dem Gefängnishof behauptet hatte, in der Wäscherei sei eine Waffe versteckt. Gefunden wurde nichts.
Beim Rechtsgespräch im Besprechungszimmer erörtern die Prozessbeteiligten, wie es weitergehen soll. Das Gespräch dauert nicht lange. Man kommt zu keiner Einigung, man lacht trotzdem und vertagt den Prozess auf Donnerstag, 12. Juni. Dann soll der ehemalige Gefangene mithilfe der Polizei vorgeführt werden. Der Angeklagte quittiert die Verschiebung der Verhandlung mit finsterer Miene. Er sieht nicht glücklich darüber aus, eine Woche länger auf den Abschluss des Verfahrens warten zu müssen.

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