Bernkastel-Wittlich. Ich will keine Schokolade, ich will lieber einen Mann. Viele Wittlicherinnen könnten es Trude Herr nachtun und ihr Lied aus voller Brust schmettern - jeden Tag. Denn in keiner Stadt im Kreis Bernkastel-Wittlich ist der Frauenüberschuss so hoch. Dort leben 419 mehr Wittlicherinnen als Wittlicher. Doch anstatt ihr Leid zu bedauern, machen sie das Beste daraus und erobern die Straßen - oder zumindest die Geschäfte - in der City der Säubrennerstadt. Schließlich geht Frau gerne shoppen. Schuhe zum Beispiel. Und die gibt\'s in Wittlich, ob in der Innenstadt oder im Industriegebiet, in Hülle und Fülle, befellt und befleckt, in Stoff, Lack und Leder. Eine gemeine Falle! Handtaschen, Fußwärmer, Nagelscheren, mit all dem müssen sich die Geschäfte auf den Frauenansturm wappnen. Buchläden geben Tipps zur Bewältigung der Ich-werde-meinen-Traumprinzen- nie-finden-Krise, Bäckereien und Cafés - spezialisiert, natürlich, auf Schokoladen - bieten das Nasch-Trostpflaster für den Anschluss. Dank riesiger Rabattschilder nebst muskelbepackten Hinguckern verlieren Frauen schon mal die Beherrschung. Und jetzt, Gott sei Dank, ist auch noch Weihnachtszeit, und es landet alles im Einkaufskorb, was sich aufhängen, anzünden (nein, es geht hier um Kerzen), drappieren und verzieren lässt. Frisöre und Boutiquen en masse, und das alles von Frauenparkplätzen aus erreichbar! Ach ja, der Landfrauenverband hat seinen Sitz natürlich auch in Wittlich, im Stadtrat sind immerhin neun der 32 Mitglieder weiblich und der Kreisfeuerwehrverband hat sogar einen Fachbereich "Frauen in der Feuerwehr". Für das Spiel in den Geschäften zumindest hätte die Morbacher Mann-Schaft wohl nur ein Lächeln übrig. Dort trinkt man lieber Bier statt Wein - und auch gerne einen Selbstgebrannten, den Bürgermeister Andreas Hackethal auch gerne das Hunsrücker Lebenselexir nennt. Kein Wunder also, dass Männer in der Einheitsgemeinde länger leben … und vielleicht auch glücklicher. Und das nicht nur in der Morbacher Biergasse (die Wittlicher haben übrigens, oha, ein Parfümgässchen!). Statt einem Meistermann- gibt\'s in Morbach ein Holzmuseum, und das räuberische Mannsbild schlechthin schmückt Häuserwände: der Schinderhannes. Überhaupt, wer durch die Straßen des Ortskerns zieht, der steht vor allem vor Elektrogeschäften und Raumausstattern. Dort bohren Bohrer und schrauben Schrauber, im Schaufenster präsentieren sich Fliesen und Türklinken. Autoverkauf, Schreinereien und Metzgereien, was will Mann mehr? In der Bäckerei gibt\'s König-Ludwig-Brot, Schilder in der Auslage eines Geschäfts klären auf: "Echte Kerle brauchen keine Anleitung." Daneben zeigt eine Uhr die Zeit auf der Route 66 an. Selbst die Verkehrsschilder zeigen an der Kreuzung, wo\'s langgeht: Raumausstatter, Werkmarkt, Elektro. Nur: Ob die Männerwelt sich auch ins Telefonmuseum traut? Na ja, ist eben auch Technik. Übrigens, der Frauenüberschuss in Wittlich lässt sich schon an der Farbe des alten Rathauses erkennen - Rosa (ja, auch die Morbacher residieren nicht gerade in einer männlichen Farbe). Und das Stadttier? Kein Eber, sondern Sau. Und das wird wohl auch so bleiben, wenn die Männer wieder die Herrschaft über Wittlich gewinnen. Ein bisschen sieht es ja schon danach aus, denn aus der Landrätin ist ein Landrat geworden. Und wo kommt er her? Genau. Aus Morbach.Video zum Thema untervolksfreund.de/videoExtra

Insgesamt leben im Kreis Bernkastel-Wittlich 1211 mehr Frauen als Männer: 2,2 Prozent. Nach Wittlich ist der Frauenüberschuss in den Orten mit mindestens 1000 Einwohnern prozentual in Traben-Trarbach (121) und absolut in Bernkastel-Kues am höchsten (302). In allen drei Orten haben die Frauen einen Vorsprung von knapp einem Prozent. Auch der Männerüberschuss liegt in Morbach unter einem Prozent. uq