Weil der Tod zum Leben gehört

Traben-Trarbach · Für 10 000 Polizeibeamte in Rheinland-Pfalz sind fünf Seelsorger 365 Tage im Jahr da. Sie sind Ansprechpartner in Extremsituationen und hören zu, wenn sich die Betroffenen in Ausnahmesituationen befinden. Einer von ihnen ist Hubertus Kesselheim.

 Polizeiseelsorger Hubertus Kesselheim (rechts) ist mit dabei, bespricht mit Beamten das Erlebte. Auf dem Foto im Einsatzwagen mit Klaus Herrmann, Dienststellenleiter in Bernkastel-Kues. TV-Foto: Claudia Szellas

Polizeiseelsorger Hubertus Kesselheim (rechts) ist mit dabei, bespricht mit Beamten das Erlebte. Auf dem Foto im Einsatzwagen mit Klaus Herrmann, Dienststellenleiter in Bernkastel-Kues. TV-Foto: Claudia Szellas

Traben-Trarbach. Wenn Hubertus Kesselheim zum Einsatz gerufen wird, geht es nie um Schönes: Der 51-jährige Pastoralreferent ist Seelsorger im Polizeibezirk Trier. "Der Umgang mit Leid, Gewalt und Tod ist bei Beamten Alltag. Bis zu einem Punkt kann man das verkraften. Aber es gibt Situationen, in denen die Frauen und Männer jemanden zum Reden benötigen und dem Stress ein Ventil geben müssen." Zuhören ist die eine Seite seiner Seelsorgetätigkeit.
Zunehmende Respektlosigkeit


Dafür geht der Familienvater "auch mal so in eine Station", redet unverfänglich mit Beamten. "Es entsteht immer ein Gespräch, das hinterher ein gutes Gefühl des Verstandenwerdens hinterlässt." Geteiltes Leid ist halbes Leid. So einfach das klingt, so schwer ist es: "Grenzsituationen sind Teil des Lebens und im Polizistenalltag gibt es diese in allen Facetten." Verkehrsunfälle, Suizide, häusliche Gewalt oder der Einsatz von Schusswaffen gehören zum Dienstleben.
Polizisten werden vermehrt zum verbalen Prügelknaben: "Es gibt eine zunehmende Respektlosigkeit gegen uns Kollegen", kann Klaus Herrmann, Dienststellenleiter in Bernkastel-Kues, berichten. Deshalb geht Kesselheim, passionierter Motorradfahrer, mit auf Demos, ist in seiner gelben Polizeiseelsorgerjacke dabei, wenn etwa ein Fußballspiel ist. "Die Tatsache, dass der überwiegende Teil des Berufs mit den negativen Seiten des Lebens zu tun hat, belastet grundsätzlich."
Seit mehr als 13 Jahren ist er Ansprechpartner der Gesetzeshüter, weiß um die schlimmen Momente. Wie im vergangenen Jahr, als es zum Horror-Unfall auf der A 1 mit drei Toten, darunter zwei Kindern, und drei Schwerverletzten durch eine Geisterfahrerin kam. "Wenn Kinder sterben, prägt das besonders. Dieser Unfall war eine extreme Ausnahme." Die gab es auch an Heiligabend, als er aus der Messe heraus nach Wittlich gerufen wurde, wo sich ein Mann vor den Augen der Beamten erschoss.
Wie geht man damit um? "Es ist eine Grundsatzentscheidung, die ich getroffen habe: Der Tod ist ein Teil des Lebens. An gewisse Anblicke und Dinge kann ich mich nicht gewöhnen. Deshalb ist es wichtig, auf die seelische Hygiene zu achten."
Kesselheim selbst redet über seine Empfindungen mit Kollegen oder er "kompensiert" diese bei seinem Hobby: Als Theologe hat er zusätzlich Reiseverkehrskaufmann gelernt und fährt in seiner Freizeit Bustouren für eine Morbacher Firma. "Das ist Entspannung und Ausgleich. Hier mache ich halt und meditiere am Strand mit den Reisenden." Er hält es wie der griechische Philosoph Epikur: "Für keinen ist es zu früh oder zu spät, für die Gesundheit der Seele zu sorgen."
Extra

Polizeiseelsorger Hubertus Kesselheim, geboren in Koblenz, verheiratet, zwei Kinder. Er studierte Theologie in Trier, war acht Jahre als Seelsorger in der Jugendarbeit im Dekanat Traben-Trarbach zuständig, kündigte und baute als Reiseverkehrsfachmann mit Busführerschein in einer Morbacher Firma das Reiseprogramm mit auf. Im Jahr 2000 wurde eine halbe Stelle als Polizeiseelsorger ausgeschrieben, die er übernahm. Seit 2010 ist es ein Fulltime-Job. Kesselheim gehört ebenfalls dem Kriseninterventionsteam (KIT) an, das unter anderem zu jedem Unfall und jedem Einsatz mit Schusswaffengebrauch gerufen wird. jo

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