Wein verbindet, zumindest ein wenig: Bolivianische Winzer arbeiten und leben gemeinsam mit Berufskollegen an der Mosel

Lieser · Mehr als 10 000 Kilometer trennen sie. Der Weinbau verbindet sie. Sechs Winzer aus Bolivien sind um die halbe Welt gereist, um den Weinbauern an der Mosel über die Schulter zu schauen und sich inspirieren zu lassen. Bei diesem Pilotprojekt wird klar: Es gibt nicht nur viele Gemeinsamkeiten, sondern auch kulturelle Differenzen.

 Sechs Weinbauern aus Bolivien leben und arbeiten zwei Wochen mit Moselwinzern zusammen. Zwei von ihnen helfen auf dem Weingut von Ulrich Schumann (rechts) mit. Die Idee für das Projekt hatten seine Schwester Dagmar Schumann (Dritte von links) und Mechthild Kaiser (Vierte von rechts). TV-Foto: Sarah München

Sechs Weinbauern aus Bolivien leben und arbeiten zwei Wochen mit Moselwinzern zusammen. Zwei von ihnen helfen auf dem Weingut von Ulrich Schumann (rechts) mit. Die Idee für das Projekt hatten seine Schwester Dagmar Schumann (Dritte von links) und Mechthild Kaiser (Vierte von rechts). TV-Foto: Sarah München

Foto: (m_huns )

Lieser. Es war einmal vor 400 Jahren, irgendwo in Bolivien. Die Spanier erobern das Land, bringen ihre Kultur und Religion mit. Jesuiten missionieren die Bolivianer. Doch ihnen fehlt ein wichtiges Detail: Wein, um die Messen zu halten. Ein geeignetes Gebiet Reben anzubauen, ist schnell gefunden: Nahe Potosi werden Reben gepflanzt. Dort in 2500 Metern Höhe, in Cinti, einer Region im Südwesten Boliviens, pflanzen noch heute die sogenannten "Bodegroes" drei Sorten, die so alt sind wie die Geschichte des Weines in Bolivien.Ideen austauschen



Sechs dieser Bodegroes sind um die halbe Welt gereist, um zwei Wochen lang mit Mosel-Winzern unter einem Dach zu leben und in den Weinbergen zu arbeiten. Sie wollen sich mit den deutschen Winzern austauschen und die ein oder andere Idee mit in ihr Land und zu ihren Berufskollegen nehmen. Zwei von ihnen sind bei der Familie Schumann in Lieser untergebracht, die restlichen vier in Kesten, Brauneberg, Kinheim und Kröv.
Dagmar Schumann, Schwester Winzers Ulrich Schumann, und ehemals Entwicklungshelferin in Bolivien und Architektin Mechthild Kaiser, die seit 30 Jahren in Bolivien arbeitet, hatten die Idee für den Austausch. Unterstützt wird das Pilotprojekt von Misereor (Hilfswerk der katholischen Kirche). Nach einer Woche gemeinsamen Lebens und Arbeitens haben sich alle bei Winzer Ulrich Schumann versammelt, um bei einer Tasse Kaffee über Erfahrungen, Gemeinsamkeiten, neue Ideen und kulturelle Differenzen zu sprechen.
In den vergangenen 400 Jahren Weinbaugeschichte ist in Bolivien viel passiert. Natürlich wird der Wein immer noch bei Messen getrunken, doch die Bodegroes haben expandiert. Wie an der Mosel gibt es auch in Bolivien viele kleine Betriebe, die versuchen, besondere Produkte herzustellen und mit Tourismus zu verbinden. Seit 2014 ist das Tal zwischen zwei Bergketten sogar offiziell als besondere Region von der Regierung anerkannt. Das Klima ist allerdings anders als an der Mosel - trocken und sehr warm. Kälte gibt es dort kaum. Bei drei Grad Außentemperatur haben die Bolivianer sich ihre Jacken und Westen bis unter die Nase hochgezogen - solche Temperaturen sind sie nicht gewohnt. In ihrer Heimat ist gerade Frühling. Im Februar, also im bolivianischen Spätsommer, steht die große Ernte an - für die Bodegroes eine Zeit der Feste.
Das Wetter lässt auch den Wein anders schmecken. "Mehr Sonne bringt mehr Alkohol, aber auch weniger Aroma" erklärt Mario Molina Guzmán, Präsident des Verbandes der bolivianischen Winzerbetriebe. "Der Wein in Deutschland ist weniger alkoholreich, aromatischer und säurehaltiger. Außerdem wird an der Mosel das Bouqet eher mit der Zunge und in Deutschland mehr mit der Nase aufgenommen."
Neben dem Wetter waren die Gäste aus Südamerika besonders von der vielen Technik überrascht und beeindruckt: In ihrem Land gibt es keinerlei Hilfsgeräte, dort ist Weinbau Handarbeit. Auch dass an der Mosel meist die ganze Familie in den Winzerbetrieb eingebunden ist, ist ihnen neu: Im Betrieb von Ulrich Schumann helfen nicht nur seine Ehefrau, seine Kinder und ab und an seine Schwester mit, sondern sogar seine 85-jährige Mutter Josefine Schumann.
Es gibt nicht nur Differenzen in Geschmack und Technik. Winzer Ulrich Schumann zeigt sich etwas irritiert von den Eigenheiten und der Lebenseinstellung seiner Gäste. "Ich fand die Idee sehr interessant, aber gerade jetzt im Herbst gibt es von früh bis spät etwas zu tun." Die Bodegroes helfen zwar bei der Ernte, aber Schumann bemängelt: "Wein herstellen ist nicht einfach nur Trauben ablesen."
Wird das Pilotprojekt mit einem Happy End enden? Mal schauen. Ob der Moselwinzer im Frühling beim geplanten Rückbesuch in Bolivien dabei sein wird, weiß er noch nicht.müs

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