weinkolumne_22.9.

Die Weinlese ist der Höhepunkt im Winzerjahr. Für viele ist es auch die schönste Zeit. Es hat etwas von Beschaulichkeit und Idylle, wenn die Erntehelfer in den Rebzeilen stehen, während der Arbeit Schwätzchen halten, gemeinsam in der Natur zu Mittag essen und abends nach getaner Arbeit noch einmal mit einem guten Tropfen auf den arbeitsreichen, aber auch schönen Tag anstoßen.

Die Lese mit dem Vollernter, der in einer halben Stunde einen Weinberg aberntet, kann dies alles nicht bieten. Und doch ist die Maschinenlese auch an der Mosel nicht mehr wegzudenken. Der Winzer erspart sich damit viel Zeit, Arbeit und Stress. Eine ganze Lesemannschaft organisieren, die Helfer frühmorgens einteilen, genügend Essen und Trinken besorgen, das Lesegeschirr bereithalten - das alles muss bewältigt werden. Die Maschine wird nicht krank, sie braucht keinen Regenmantel, meckert nicht, isst und trinkt nichts und braucht auch keinen Schlafplatz. Sie macht nur ein bisschen Krach. Dennoch: Es wäre mehr als schade, wenn die Handlese eines Tages nur noch ein Relikt aus vergangenen Tagen wäre. In Rheinhessen oder der Pfalz ist dies nicht ausgeschlossen. An der Mosel wird dies jedoch so schnell nicht geschehen, da es trotz Steillagen-Vollernter, der bereits praxisreif ist, immer noch zahlreiche Weinberge gibt, die für die maschinelle Lese nie infrage kommen werden. Dabei ist die Handlese, abgesehen davon, dass einzelne Trauben selektiert werden können, ein unschätzbarer Imageträger. Ich kenne einen Winzer, der fast seine komplette Lese auschließlich mit Weinkunden bestreitet. Die Leute nehmen sich sogar Urlaub, um bei "ihrem Winzer" im Herbst helfen zu können. Bei freier Kost und Logis verzichten sie sogar auf einen entsprechenden Stundenlohn. Sie erleben die Schönheit der Landschaft, die Mühen der Arbeit und genießen später "ihren selbst gelesenen Wein" noch viel mehr. mc/jöl

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