TV-SERIE Nicht nur die Axt sorgt für viel Gesprächsstoff

Zeltingen-Rachtig · Sarah Gessinger übernahm 2013 das väterliche Weingut in Zeltingen-Rachtig. In unserer Serie „Die Weinmacherin“ gibt sie Einblicke in ihre Philosophie.

Sarah Gessinger bei der Arbeit im Weinberg. Maschinen werden dabei nicht eingesetzt.

Sarah Gessinger bei der Arbeit im Weinberg. Maschinen werden dabei nicht eingesetzt.

Foto: TV/Daniel Mich Schweich

Traditionell, doch gleichzeitig immer auf dem neuesten Stand oder sogar schon einen Schritt voraus: Auf Sarah Gessinger passt diese Einschätzung. Die 44 Jahre alte Besitzerin des Weinguts Gessinger in Zeltingen-Rachtig setzt auf Handarbeit im Weinberg und eine langsame Gärung der neuen Weine. „Vor April kommt bei mir nichts auf die Flasche“, berichtet sie. Genauso klar ist ihre Meinung zur Arbeit in den Steillagen. „Weil mir die reine Handarbeit und die Selektion der Trauben wichtig sind, werde ich den Betrieb nicht vergrößern“, sagt die Winzerin. Mit drei Hektar Rebfläche gehört sie nicht zu den Großgrundbesitzern. Reichtümer seien so nicht zu erzielen, sagt sie. Das sei ihr aber auch nicht wichtig. Sie will quasi jeden Rebstock kennen und frühzeitig wissen, was sie im Herbst erwarten kann.

Die Einstellung zur Betriebsgröße und anderem mehr habe sie von ihrem Vater Alfred übernommen. „Ich will ihn nicht missen und rede auch mit ihm über alles“, sagt die Tochter. Die Entscheidungen treffe sie aber nach der Übernahme im Jahr 2013 alleine.

Dazu gehören durchaus existenzielle Sachen: neue Etiketten für einige besondere Weine, eine Aufpeppung der übrigen Etiketten, mehr Einsatz von Edelstahltanks, um die von ihr favorisierte Spontanvergärung zu begünstigen, ein Online-Shop etc.

Als sie ihrem Vater die neuen Etiketten, auf denen eine Axt breiten Raum einnimmt, präsentierte, habe der die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Die Resonanz der Kundschaft habe ihr Tun aber bestätigt.

Apropos Kundschaft: Die sei im Wandel, sagt sie. Eine neue Generation junger Leute, die sich in den sozialen Medien auch über den Wein informiere, habe sich auf den Weg gemacht.

Wer mit Sarah Gessinger spricht, merkt: Ihr Berufswunsch manifestierte sich schon im Kindesalter. Und hätte sie es sich anders überlegt, gäbe es in diesem Bereich eine enthusiastische Frau und Weinexpertin weniger.

Sie sei schon in jungen Jahren nach der Schule ans Fenster geeilt  um zu schauen, in welchem der väterlichen Weinberge gerade gearbeitet wird, erzählt sie. „Dann habe ich mich aufs Fahrrad gesetzt und bin hingefahren, um zu helfen.“ Beim Weinfest in Bernkastel-Kues habe sie schon Wein verkaufen wollen, als sie noch nicht über die Tischkante schauen konnte.

Nach dem Abitur studierte sie allerdings in Trier Wirtschaftsinformatik und Betriebswirtschaftslehre. „Aber der Weinbau blieb meine Leidenschaft“, sagt sie. Nach dem Abschluss und als feststand, dass ihr Bruder keine Ambitionen zur Übernahme hat, absolvierte sie im Betrieb des Vaters eine Winzerinnenlehre.

Ein Studium oder ein längerer Blick in andere Betriebe sei für sie nicht infrage gekommen. „Weinmachen ist Handwerk“, sagt sie. Sie habe schon während des Studiums zu Hause mitgearbeitet, sich Kompetenzen angeeignet und auch immer den Austausch mit ihrem Vater und anderen Winzern gesucht.

Gibt es einen Unterschied zwischen dem Tun von Winzerinnen und Winzern? „Winzerinnen sind sehr experimentierfreudig. Und sie sprechen gerne darüber. Das ist ihnen eben in die Wiege gelegt“, antwortet sie.

Noch einmal ein Blick auf die neuen Etiketten für die Weine „Rothlay“ und „Hifflay“ - beides geschützte Ursprungsbezeichnungen in der Lage „Zeltinger Sonnenuhr“. Die wurzelechten Reben stehen seit 1895. Vorher wurden die Flächen gerodet. Davon zeugt die Axt mit der Jahreszahl 1895 auf der Klinge. Rothlay steht für Roden (Roth) und Fels (Lay), Hifflay für Hieb (Hiff) und Fels (Lay).

Die Gessingers haben Ideen. Vor mehr als 20 Jahren versenkte Vater Alfred mehrere hundert Flaschen einer edelsüßen 1998er Riesling Auslese in einen von acht Grad kaltem Wasser gespeisten Brunnen im Keller. Den Rest legte er in ein Regal. 2019 wurden die Weine erstmals präsentiert. Über den interessanten Vergleich, der immer noch möglich ist, hat der TV berichtet.

Sarah Gessinger hat einige Weine (Mitte) mit neuen, eher ungewöhnlichen Etiketten ausgestattet. Rechts und links sind Flaschen mit dem herkömmlichen Etikett zu sehen.

Sarah Gessinger hat einige Weine (Mitte) mit neuen, eher ungewöhnlichen Etiketten ausgestattet. Rechts und links sind Flaschen mit dem herkömmlichen Etikett zu sehen.

Foto: TV/privat

Was Sarah Gessinger noch auszeichnet: Sie ist wissbegierig. „Ich will nicht von einer Entwicklung überrascht werden“, sagt sie. Das gilt zum Beispiel für die Bestrebungen der EU, Weinetiketten mit Warnhinweisen zum Alkohol kennzeichnen zu lassen und auch für die Deklarierung der Nährwertstoffe. „Das wird kommen“, sagt sie. Es klingt aber so, als würde dies die Begeisterung für ihre Arbeit eher noch anstacheln.

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