Weißer Flieder und ein geliehener Zylinder

"Vor allen Dingen Liebe, Vertrauen, Verständnis", sagt Ewald Teusch seien die Grundlagen einer langen Ehe, wie er sie mit seiner Frau erlebt hat. Seine frühere Braut kann wegen zweier Schlaganfälle heute nicht mehr sprechen. Ihr Mann erzählt für sie, wie es war, das Leben zu zweit.

Wittlich. (sos) Am 4. Februar gingen sie zum Standesamt, tags drauf heirateten sie in St. Markus. Das war vor 60 Jahren, an einem "fetten Donnerstag". Margret Waldorf hieß fortan Teusch und sollte später ihrem Mann zur Weiberfastnacht die Erbsensuppe nach Hause bringen, die sie selbst nicht gerne aß, er umso lieber. Jetzt kann sie noch nicht einmal einen Kuchen zur diamantenen Hochzeit probieren. Sie wird künstlich ernährt. Dabei backt ihr Ewald gern, außer Butterkuchen. Denn der schmeckt ihm nicht. "Jeden Sonntag gab es Kuchen, denn Bäcker, das habe ich ja gelernt", sagt er und fasst die Hand seiner Frau. Sie sitzt neben ihm im Rollstuhl. "Das Schlimme ist die Einsamkeit. Dass wir nicht mehr miteinander sprechen, zusammen spazieren gehen können", sagt er und schaut sie an: "Aber sie versteht alles." So muss er auf die Frage antworten, warum sie sich wohl in ihn verliebt habe. "Warum? Ja warum. Mutter. Warum hast Du mich geliebt", sagt er, der noch genau weiß, wann es beim ihm "funkte". Beide wohnten wie auch heute noch in der Lieserstraße und kannten sich seit Kindesbeinen. "Völkerball, Versteck, Klicker haben wir gespielt", erinnert sich der 85-Jährige. Mit dem Krieg begann, was er seine "Weltreise" nennt. Im Flur hängt eine Weltkarte mit unzähligen Stecknadeln. Von Europa über Afrika, Australien, Amerika war der Soldat und Gefangene aus Wittlich unterwegs. Zurück in der Lieserstraße klingelte dann eines Tages Margret. "Dann haben wir uns verabredet. So fing alles an", sagt Ewald Teusch. Zur Hochzeit war sein Organisationstalent gefragt. Weißen Flieder besorgte ein Zahnarzt aus Trier gegen ein Pfund Butter, der Zylinder wurde für 50 Pfennig bei Langner-Fischer geliehen. So chic ging es zum Fotografen Becker in die Friedrichstraße. "Vier Bilder für zehn Reichsmark plus eine Flasche Wein. Den hat der Winzer Wolfgang Friderichs gestiftet", erinnert sich der Bräutigam noch nach 60 Jahren an den Preis. In Gold gerahmt liegt das Hochzeitfoto jetzt auf der Spitzendecke, lang ist's her. Er fand eine Arbeit als Strafvollzugsbeamter. Sie, eine gelernte Schneiderin, kümmerte sich um den Sohn, Haus und Garten. Am Sonntag wanderten die beiden gern rings um Wittlich durch Wald und Wingert. Das ist nun vorbei, geblieben ist der Blick aus dem Fenster. Davor stehen viele Kakteen. Waren die eine Leidenschaft seiner Frau? "Nein, die Kakteen habe ich gerne. Sie mochte Rosen, Nelken, Flieder und so", sagt er und zeigt ein Foto aus besseren Tagen: das Paar vor der Haustür, umgeben von schönsten Geranien. In seinem Flur hängen auch viele Fotos von Schäferhunden. Die hat er gezüchtet und ausgebildet mit Hilfe seiner Frau: "Als ich in Pension ging, wollten wir keinen Hund mehr, denn ein Tier braucht viel Zeit und auch viel Liebe." Beides widmet er jetzt seiner Frau. Er sagt: "Den jungen Paaren heute, denen ist ja nicht mehr zu raten. All das mein, dein, unser." Er hält wieder ihre Hand. Mit der Linken, die zum Herzen geht, kann sie noch fest zudrücken.

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