Wengerohrer wollen ihre Ruhe

Wittlich-Wengerohr · Zwölf Millionen Euro hat eine fünf Kilometer lange Straße gekostet, die über 40 Jahre gefordert wurde. Es geht um die Ortsumgehung Wengerohr. Ende 2011 war sie fertig. Wer jahrzehntelang mehr als 16 000 Fahrzeuge vor der Haustür verkraften musste, freut sich darüber. Doch die Freude ist nicht ungetrübt.

Wittlich-Wengerohr. "Das war ein Bus." "Und das ein LKW. Ja: Wir haben Ohren!" Das sagen vier Wengerohrerinnen. Sie sitzen draußen, hinter einem Haus. Vor dem Haus verläuft die Bernkasteler Straße. Mehr als 16 000 Fahrzeuge täglich wurden hier einmal gezählt. Zum Vergleich: In der Wittlicher Kurfürstenstraße am Einkaufszentrum Schlossgalerie liegt man bei 12 000 Fahrzeugen, Wohnungen direkt hinterm Bürgersteig gibt es an der Wittlicher Verkehrsachse aber kaum noch. In der Bernkasteler Straße ist das anders: Haus an Haus steht dort. Und die Menschen darin freuten sich, als im Dezember 2011 endlich die Ortsumgehung fertig wurde. Weniger Lärm, weniger Abgase erhofften sich auch die vier Frauen. Eine von ihnen ist Renate Nohn, die 60 Jahre an der Durchgangsstraße ausgehalten hat. Und sie wundert sich: "Als ich heute Morgen die Zeitung geholt habe, sind wieder drei von den dicken LKW vorbeigefahren." Das können LKW-Fahrer nur, wenn sie konsequent Schilder ignorieren, die ihnen die Durchfahrt eindeutig verbieten. Aus Richtung Wittlich steht ein Schild sogar mitten auf der Straße, eigentlich unübersehbar. Aber LKW-Fahrer schaffen es, vorbeizuschauen. Die Frauen in ihren Garten stühlen hören die schweren Maschinen - auch im Haus. "Dann wackeln bei mir die Fenster", sagt Nicole Burbach. "Und bei mir der Kleiderschrank", sagt Diana Deutsch. Edeltrud Berens ergänzt: "Wir sind zwar etwas vom Verkehr entlastet worden, aber doch nicht so wie gewünscht. Der Durchgangsverkehr ist wieder endlos. LKW rauschen über die Straße ohne Rücksicht auf Verluste und trotz absoluten Verbots. Zur jetzigen Zeit fahren auch jede Menge Wohnmobile, Wohnwagen, Busse durch." Als Beispiel nennen die Frauen: Das Bernkasteler Weinfest: "Wir haben gedacht, das gibt es doch nicht!" Die Wengerohrerinnen wissen nicht wirklich, was tatsächlich helfen könnte: Mehr Polizeikontrollen, die sich aber schnell rumsprechen? Noch eine Verschwenkung, die aber auch Lärm durchs Bremsen oder Überfahren der Einfassung verursacht? Noch mehr Schilder, die womöglich übersehen werden? Eine Ausweisung als reine Anliegerstraße, was ohne Abstufung der Bernkasteler Straße als Bundesstraße nicht möglich ist? Oder gar die Sackgassenlösung per Sperrung?Straßensperrung mit Genuss

Eine Sperrung gab es von Juli bis August, als die Eisenbahnbrücke abgerissen wurde. "Das war schön", sagt Renate Nohn. "Wir haben sie richtig genossen, die Zeit!" Dass eine Sperrung nicht so einfach ist, wissen die Frauen auch. Sie wollen vor allem auf die Belastung für die Menschen an der Straße durch den Verkehr hinweisen. Denn das kann helfen. "Die Firma Dr. Oetker hat reagiert. Von denen fährt hier keiner mehr durch. Als die gehört haben, dass LKW die Umgehung nicht nutzen, gab\'s eine Anweisung. Auch die Spedition Müller aus Mülheim hat das so gemacht", sagt Edeltrud Berens. Und was sagen die anderen, die LKW-Fahrer? "Meine Güte, wir sind doch immer hier durchgefahren." Oder: "Das ist einfach 300 Meter kürzer." Oder: "Durch die Umgehung können wir nicht durchrauschen.""Wir haben nichts gegen Autos"

"Da kriegt man die dollsten Erklärungen." Edeltrud Berens sagt: "Wir haben nix gegen Autos. Wir müssen ja auch rausfahren. Aber es könnten einige Tausend weniger sein. Und auch bei den LKW haben wir uns mehr versprochen."Wie oft die Polizei mit welchem Ergebnis zwischenzeitlich in Wengerohr kontrolliert hat, war gestern nicht zu erfahren, weil der Polizei-Pressesprecher auf einer Tagung und anschließend beim Einsatz zum Fußballspiel Eintracht Trier gegen die SG Wittlich/Lüxem war. Wer als LKW-Fahrer beim "verbotswidrigen Befahren" der Bernkasteler Straße erwischt wird, zahlt 15 Euro als Verwarnung.Meinung

Jeder Einzelne ist einfach zuvielEin Großprojekt wie die Ortsumgehung schürt Erwartungen. Große Erwartungen, wenn man 40 Jahre wartet. Zu Recht ärgert man sich dann über jeden LKW, Bus, PKW auf der alten Strecke. Sicherlich hat sich die Situation verbessert. Es ist richtig, dass die Anwohner dennoch sagen: Das reicht uns nicht, wir sind genervt. Schön wäre, wenn LKW-Fahrer klare Anweisung hätten: Fahrt außenherum! Das klappt nicht immer, siehe Hetzerath. Und 15 Euro Verwarnung sind einfach zu billig. Eine höhere Strafe würde die LKW-Fahrer nerven: ein bisschen ausgleichende Gerechtigkeit. s.suennen@volksfreund.deExtra

 Es könnte alles so schön sein: Die Menschen in der Bernkasteler Straße müssen ausbaden, dass LKW- und Autofahrer die Ortsumgehung zum Teil ignorieren. Lärm und Abgase nerven die Anwohner. TV-Foto: Sonja Sünnen

Es könnte alles so schön sein: Die Menschen in der Bernkasteler Straße müssen ausbaden, dass LKW- und Autofahrer die Ortsumgehung zum Teil ignorieren. Lärm und Abgase nerven die Anwohner. TV-Foto: Sonja Sünnen

Das sagt Wengerohrs Ortsvorsteher Theodor Brock: "Was soll man noch mehr tun? Ich schätze, 95 Prozent nutzen die Ortsumgehung. Es gibt auch welche, die sagen, sie könnten nicht mehr schlafen, weil es so ruhig ist. Es ändert sich wohl erst richtig, wenn die Querspange zwischen Wengerohr und Bombogen gebaut wird. Und da gibt es noch den spanischen LKW mit dem rumänischen Fahrer. Der versteht nicht und schaut nur aufs Navi, das die neue Strecke noch nicht hat. Es ist schwer. Und es jedem gerecht zu machen, das geht nicht." sos

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