Wenn Waldflächen zur Wildnis werden: Konferenz über Naturwaldreservate

Otzenhausen/Erbeskopf · 80 Wissenschaftler haben zwei Tage lang darüber diskutiert, wie sich der Nationalpark Hunsrück-Hochwald hin zu einer Wildnis entwickeln könnte. Dabei konzentrierten sie sich vor allem auf jüngste Forschungsergebnisse in drei Naturwaldreservaten. Seltene Arten sind in Schutzgebieten heimisch: von der Bechsteinfledermaus über den Raufußkauz bis hin zum Zilpzalp

 Kennzeichen für ein Naturwaldreservat: Wenn in diesen Gebieten, so wie im Kampelstich im Osburger Hochwald, ein Baum umstürzt, bleibt er auch liegen und verrottet langsam. Revierförster Markus Kritten kniet an einer Buche, an deren Stamm Zunderschwämme haften. TV-Foto: Axel Munsteiner

Kennzeichen für ein Naturwaldreservat: Wenn in diesen Gebieten, so wie im Kampelstich im Osburger Hochwald, ein Baum umstürzt, bleibt er auch liegen und verrottet langsam. Revierförster Markus Kritten kniet an einer Buche, an deren Stamm Zunderschwämme haften. TV-Foto: Axel Munsteiner

Foto: (h_hochw )

Sie sind aus naturschutzfachlicher Sicht wahre Schatzkisten: Naturwaldreservate sind meist kleine Waldgebiete, die oft seit mehr als 30 Jahren nicht mehr forstwirtschaftlich genutzt werden. Sie erlauben einen Blick darauf, wie eine Waldfläche in 30 Jahren aussehen könnte, welche Pflanzen und Tiere sich in einem größeren Schutzgebiet verbreiten könnten. Grund genug für die Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft Rheinland-Pfalz in Trippstadt (Landkreis Kaiserslautern), sich mit den drei Naturwaldreservaten Gottlob, Springenkopf (beide Verbandsgemeinde Thalfang am Erbeskopf) und Ruppelstein (Verbandsgemeinde Birkenfeld) genauer zu beschäftigen.

Mehr als ein Jahr untersuchten und zählten zahlreiche Forscher, was in den Naturwaldreservaten lebt und blüht. Unter die Lupe wurden Moose, Flechten, Pilze und Totholzkäfer genommen. Aber auch Vogelbestände sowie Fledermausbestände wurden erfasst. "Wir haben einen klaren Forschungsauftrag", betont Harald Egidi, Leiter des Nationalparkamtes. Er freut sich, dass die Forschungsanstalt Trippstadt daran arbeitet, die Grundlagen für künftige Fragestellungen vorzubereiten. "Es geht nur zum Teil darum, seltene Arten zu belegen", sagt Egidi. Wichtiger seien ihm aber Erkenntnisse, wie sich ein Wald ohne menschlichen Einfluss entwickelt. Wolfgang Schmidt, emeritierter Professor an der Georg-August-Universität in Göttingen, belegt einen Zusammenhang zwischen der Größe eines Schutzgebiets und der Artenvielfalt.

"Je größer die Naturwaldreservate sind, desto mehr Arten lassen sich nachweisen", sagt Schmidt. Er warnt vor einem zu großen Rotwildbestand. In Bereichen, die für das Wild nicht zugänglich sind, können sich beispielsweise wieder Heidelbeersträucher entwickeln. Dorothee Killmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Koblenz-Landau, konnte in den drei Naturwaldreservaten 14 Flechtenarten nachweisen, die in Rheinland-Pfalz auf der Roten Liste als gefährdet stehen. Jan-Roeland Vos aus Habscheid, Eifelkreis Bitburg-Prüm, hat im Bereich dieser Parzellen 52 Vogelarten nachgewiesen.

Neben alten Bäumen, auf die etwa Raufußkauze und Spechte angewiesen sind, betont der Vogelexperte auch die Bedeutung von Lichtungen, in denen beispielsweise die Rotkehlchen und der Zilpzalp ihre Nahrung finden. Mit Akustikfallen hat sich Frank Adorf in den drei Schutzgebieten auf die Lauer gelegt. Mit dieser Methode konnte der Fledermausspezialist aus Bingen bislang 14 Arten in der Region nachweisen. Mit der Mops- und der Bechsteinfledermaus konnten zwei Urwald-Reliktarten im Nationalparkgebiet belegt werden.

Beide Arten sind auf alte Baumbestände angewiesen. Keine Urwald-Relikte konnte Frank Köhler aus Bornheim, Kreis Alzey-Worms, in den Naturwaldreservaten nachweisen. Das liege, so der Käferexperte, einerseits an der geografischen Ausrichtung sowie andererseits an der Höhenlage der Schutzgebiete, die über 700 Meter über Normal null liegen. Köhler konnte aber bis zu 30 Totholz liebende Käfer nachweisen, die auf der Roten Liste stehen. Für den Leiter des Nationalparkamtes, Harald Egidi, waren das zum Teil erwartbare Ergebnisse.

Trotzdem freut er sich über die erste wissenschaftliche Untersuchung der insgesamt rund 40 Hektar großen Schutzgebiete, auch wenn ihm klar ist, dass diese Ergebnisse auf die Zukunft des 10?000 Hektar großen Nationalparks nicht Eins-zu-Eins übertragbar sind. "Aber wir haben durch ein Schlüsselloch geschaut und gesehen, wie der Wald sich ohne menschlichen Einfluss weiterentwickeln könnte." werden nicht mehr forstwirtschaftlich genutzt. Der Wald wird in diesen Bereichen einer natürlichen Entwicklung überlassen.Extra

Bundesweit sind 729 Reservate mit einer Gesamtfläche von 35?000 Hektar ausgewiesen. Laut Paragraf 19 des rheinland-pfälzischen Landeswaldgesetz sind NWR "Waldflächen, auf denen eine ungestörte natürliche Entwicklung von Waldlebensgemeinschaften gesichert und beobachtet werden soll."

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