Wer hat ihn gesehen? Auf der Suche nach dem Herbst

Wittlich · Wo ist er denn, der Herbst? Der September hat lange begonnen, aber bei Temperaturen zwischen 25 und 30 Grad sitzen die Menschen in der Sonne, essen Eis, planschen im Freibad. Ein wenig rot-gelbes Laub zwischen sattem Grün ist eine der ersten zaghaften Spuren des Herbstes. Ansonsten herrscht Sommerstimmung in Wittlich. Der Trierische Volksfreund macht sich auf die Suche nach dem Herbst.

Ist der Herbst zu spät dran? Oder lässt er einfach großzügig dem Sommer den Vortritt, der ja bisher eher etwas schwach auf der Brust war? Der meteorologische Herbstanfang war bereits am 1. September, der astronomische ist am 22. September. Und in der Zwischenzeit?

In der Zwischenzeit lässt sich der Herbst im Freibad einläuten. Genauso wie die Kreisstadt haben auch weitere Gemeinden beschlossen, die Freibadsaison um eine Woche zu verlängern. Im Vitelliusbad in Wittlich, Moselbad Bernkastel-Kues, dem Kröver und Morbacher Freibad kann noch bis zum 18. September geplanscht, geschwommen und gerutscht werden. Das wurde angesichts des guten Wetters und auf Nachfrage der Badegäste beschlossen. Außerdem einen oder anderen Laubblatt, das müde auf dem Wasser dahintreibt, ist hier nichts vom Herbst zu spüren. Hier herrscht Hochsommer.

Ein Herbstklassiker wird gerne mit den sommerlichen Temperaturen verbunden. Er hat einen ganz eigenen Geschmack, irgendwo zwischen süß und sauer, dazu gibt es einen großen Schlag Sahne und eine dampfende Tasse Kaffee - und das bei hellstem Sonnenschein. "Der Pflaumenkuchen ist bei uns momentan der Renner", verrät Astrid Jakoby vom "Café und Ambiente" in Wittlich. "Jetzt ist Saison, die Pflaumen sind frisch. Aber normalerweise sitzen die Leute zu dieser Zeit im Jahr eher schon drinnen. Bei dem tollen Wetter kann man immer noch raus und seinen Kuchen in der Sonne genießen."

Nicht nur der Pflaumen-Saision tun die aktuellen Temperaturen gut. Manfred Zelder vom Bauern- und Winzerverband erklärt, dass der verzögerte Herbstanfang keine negativen Auswirkungen für die Landwirtschaft habe. Ganz im Gegenteil: "Für den Wein, die Zuckerrüben und den Mais ist so ein richtig schöner Altweibersommer genau das richtige Wetter. Gerade der Mais produziert durch die Sonne jetzt viel Stärke. Das wird eine gute Ausbeute." Das Wetter sei tatsächlich ungewöhnlich sonnig, aber das sei noch lange kein Problem. "So langsam können die Pflanzen auch wieder etwas Regen gebrauchen, aber es ist noch alles im grünen Bereich. Bei dem Wetter macht die Arbeit auch richtig Spaß, das ist schon besser, als wenn es jetzt schon nass und kälter werden würde."

In den Schrebergärten stehen die Sonnenblumen noch in voller Blüte und wachsen meterweit in den Himmel. Gleichzeitig sprießen die Kürbisse. Im Gartenland Schmitt stellt man sich auf das Herbstgeschäft ein, das Mitte September losgehen soll. Das ungewöhnlich warme Wetter schlägt sich aber nicht in Angebot oder Nachfrage nieder. "Ein Unterschied zum normalen Ablauf ist nicht erkennbar. Die Kunden fragen bereits nach Obstgehölzen", erklärt Esther Markshausen vom Gartenland Schmitt. "Die Pflanzen sind dieselben wie jedes Jahr. Der einzige Unterschied könnte sein, dass die Leute mehr und länger im Garten arbeiten als sonst zu dieser Zeit."

Und dabei tragen sie vor allem T-Shirt und kurze Hosen. Für lange Ärmel und Jacken ist es noch viel zu warm, obwohl die Herbstkollektionen bereits angepriesen werden. Auch in der Schneiderei Tuchfühlung in Wittlich hat man sich schon auf Herbst eingestellt: In den Schaufenstern sind die neuen Kleider in Braun- und Grautönen von Holz und Laub umgeben. "Ja, die Herbstkollektion ist schon da", erzählt Valerie Triwuth. "Die Kleider sind langärmelig und in verschiedenen Grautönen und anderen gedeckten Farben gehalten." Bei den Temperaturen? Das Angebot sei immer noch sehr durchmischt, erklärt Triwuth. "Wir haben natürlich auch immer noch bunte und helle, leichte Stoffe. Es ist ja immer noch sehr warm."

Viele nehmen nach dem regnerischen Sommer gerne einen sonnigen Herbst in Kauf. Aber ist das überhaupt schon ein richtiger Altweibersommer? Diplom-Meteorologe Dominik Jung hat den Durchblick: "Wir haben schon sehr hohe Temperaturen für diese Jahreszeit. Das ist an sich aber noch nichts ungewöhnliches. Dadurch dass wir keinen richtigen Sommer hatten, fällt der warme Herbstbeginn jetzt subjektiv stärker auf."

Dieselbe Wetterlage hätte im Juli, als die Tage noch länger waren, zu Temperaturen von 37 Grad oder mehr geführt. Jung erklärt weiter: "In den letzten Monaten hatten wir viel Herbstwetter mit gelegentlichen Sommertagen, jetzt haben wir Sommerwetter mit gelegentlichen Herbsttagen." Das liegt daran, dass ein stabiles Hoch im Sommer ganz ausblieb. Dafür geben sich die Hochs jetzt geradezu die Klinke in die Hand. "Wir hatten direkt hintereinander die Hochs Gerd und Johannes, und für Montag steht schon das Hoch Karl in den Startlöchern."

Bis Mitte September wird es vermutlich noch sommerlich bleiben. Was danach kommt, dazu kann der Meteorologe noch nichts sagen. "Aber zumindest im Moment macht der Herbst keine Anstalten, sich festzusetzen."

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