Wettbewerb um die besten Lehrlinge

Thalfang · Um Chancen der dualen Ausbildung ging es beim Infoabend der Thalfanger Erbeskopf-Realschule plus. Unternehmen, Kammern, Schulen und Arbeitsagentur zeigten Berufsmöglichkeiten auf. Fazit: Wer gute Leute will, muss auch vernünftige Löhne anbieten.

Thalfang. "Man muss kein Studienabbrecher sein, um eine Duale Ausbildung zu beginnen und Karriere zu machen." Diese provokante Aussage machte Manfred Bitter, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer (HWK) Trier, zu Beginn des Info-Abends in der Thalfanger Erbeskopf-Realschule plus. Steigende Studierendenzahlen seien, so Bitter, eine "Fehlentwicklung" infolge von Unkenntnis (siehe Hintergrund). Dass ein Studium Arbeitsstelle und hohes Gehalt garantiere, sei "definitiv widerlegt". Dennoch gab er einem Vater, der die bescheidenen Verdienstmöglichkeiten im Handwerk anmahnte, bedingt Recht.
Denn angesichts des Bevölkerungsrückgangs sei der "Kampf um die Köpfe" längst entbrannt. Wer gute Leute wolle, müsse auch vernünftige Gehälter anbieten. Willi Günther, Leiter der Berufsbildenden Schule Bernkastel-Kues, sieht daher goldene Zeiten auf das Handwerk zukommen.
Christian Reuter, bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Teamleiter Prüfung, bestätigte auch für das Gastgewerbe steigende Ausbildungsvergütungen. Ein Problem im ländlichen Raum seien indes schlechte Busverbindungen, was Eltern finanziell immens belaste.
Für am Schulort ansässige Firmen wie Hochwald Foods oder dem Malerfachbetrieb Farben Gerhard macht sich das zwar kaum bemerkbar. Dennoch gibt es auch bei Hochwald noch freie Lehrstellen - laut Personalchef Torsten Echterhof aber nur gewerbliche. Stefan Gerhard ermutigte zu möglichst vielen Praktika. So könnten Jugendliche testen, ob ein Beruf der Richtige für sie sei. An der fehlenden Fahrmöglichkeit sollte eine Lehre nicht scheitern. Betriebe würden da gerne helfen. Ebenso ermutigte er, sich auch mit einem Berufsreifeabschluss (9. Klasse) auf Stellen mit verlangtem Gymnasialabschluss zu bewerben. Ausbilder vertrauten oft mehr dem persönlichen Eindruck.
Zuhörerin Regine Paulus, Pflegedienstleiterin der paritätischen Sozialstation pro Humanitas (PSH), kritisierte, dass Pflegeberufe ungenannt blieben. Die Veranstaltung sollte doch allen Schülern Chancen aufzuzeigen. Dabei verwies sie auf die insgesamt 230 Beschäftigten, die in Thalfang im Pflegebereich arbeiten. Edith Kolasinski, Leiterin des Seniorenheims Charlottenhöhe, bedauerte die geringe Attraktivität der Berufe mit ungeliebten Nacht- und Wochenenddiensten, schlechter Bezahlung und oft nur negativer Presse.
Eltern und Schüler begrüßten den Infoabend grundsätzlich. "Wir werden gut informiert über die Berufswelt", ist Vanessa (15) dankbar. Gut sei das vor allem für diejenigen, die noch unschlüssig seien, pflichtete Laura (15) bei. Aber auch alle anderen würden immer Neues erfahren, meinte Vanessa (16). Als Beispiel nannte Tim (15) Besuche von Firmen wie Thyssen Bilstein. Laut Rektorin Sabine Becker waren alle 285 Schüler mit Eltern eingeladen. Die Schule biete zwar ohnehin viel zur Berufsorientierung an. Doch das hier sei eine tolle Ergänzung gewesen, sieht sie sich in den etwa 150 Besuchern bestätigt.
Extra

350 verschiedene Berufe gibt es laut Christian Reuter "auf dem Markt" - etwa 250 davon auch in der Region Trier, in der die IHK 28 000 Firmen mit 90 000 Mitarbeitern vertritt. Die etwa 7000 Mitgliedsbetriebe der HWK Trier bieten laut Manfred Bitter rund 80 verschiedene Berufe an sowie aktuell 700 freie Ausbildungsstellen. Freie Lehrstellen in der Region finden sich in den Lehrstellen-Apps von HWK und IHK Trier. Stefanie Adam von der Arbeitsagentur Trier wies darauf hin, dass für duale Ausbildungsgänge, parallel in Betrieb und Berufsschule, Berufsausbildungsbeihilfen beantragt werden können. urs

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