Wibke Bruhns liest aus ihren "unfertigen Erinnerungen"

Trier · Wibke Bruhns kommt in dieser Woche aus zwei Anlässen nach Trier. Die 77-jährige ehemalige Fernsehnachrichtensprecherin liest am Donnerstag, 24. September, im Museum Karl-Marx-Haus und nimmt am Freitag an einer Diskussionsrunde der SPD teil.

Trier. Wibke Bruhns (Foto: Amos Schliack/laif) war viele Jahre nah dran an den Sozialdemokraten, mit den Größen der Partei war sie per du. Schließlich war die bekannte Journalistin selbst einmal Genossin. Damals, als die legendäre Troika aus Brandt, Schmidt und Wehner die Geschicke der alten Bundesrepublik bestimmte.
Frau Bruhns, hat Sigmar Gabriel das Zeug zum Kanzler? "Ich halte Sigmar Gabriel für befähigt, Kanzler zu werden. Aber wie soll er es werden bei 24 Prozent für die SPD?", antwortet sie im Gespräch mit dem TV und sagt voraus: "Solange wir ein von Angela Merkel eingelulltes Volk haben, wird sich daran nichts ändern!"
Wibke Bruhns redet gerne Klartext. Bei der Lesung in Trier aus ihrem Buch "Nachrichtenzeit - meine unfertigen Erinnerungen" (2012) wird sie auch davon berichten, wie es Anfang der 70er Jahre war, als erste Nachrichtensprecherin im deutschen Fernsehen. Weil das ZDF es gewagt hatte, mit ihr erstmals eine Frau die "heute"-Sendung moderieren zu lassen, hagelte es Beschimpfungen und Drohungen. Frauen wünschten sich Wibke Bruhns zurück an den Herd. Männer wünschten, dass die Frau alsbald wieder von der Mattscheibe verschwinde. Wie sie damit umging? "Das hat mich nicht interessiert", versichert sie glaubhaft. "Über die Zuschriften habe ich mich meistens amüsiert."
Ihr Job als Nachrichtensprecherin behagte ihr nicht. Anderer Leute Texte vorlesen, ohne eine eigene Meinung kundtun zu dürfen, war ihre Sache nicht. Lieber bezog sie Stellung. So auch 1972, als Neuwahlen des Bundestags anstanden. Da ging Wibke Bruhns für die Genossen auf Stimmenfang, "in meiner Freizeit", wie sie sagt. Eine Nachrichtensprecherin auf Wahlkampftournee? "Wer hätte mich denn hindern sollen?", fragt sie zurück und schiebt nach: "Ich würde es heute nicht mehr machen."
Doch die Zeiten seien eben anders gewesen. "Für die jahrelang regierende Union war Brandt ein Irrtum der Geschichte. Der Mann musste weg. Die wollten die Ostpolitik weghaben und alles, wofür aufrechte Menschen damals einstanden. Da musste ich mich engagieren." Die Union hatte ein Gutachten in Auftrag gegeben, ob Fernsehleute Wahlkampf machen dürfen. Durften sie natürlich schon damals nicht, doch das Gutachten lag erst nach der Wahl vor.
Die hatte die SPD klar für sich entschieden, Willy Brandt war als Kanzler bestätigt worden. Über Brandt sagt Bruhns, dass dieser "spröde" gewesen sei: "Dortmund Westfallenhalle, 10 000 Menschen, das konnte der. Aber im persönlichen Umgang tat er sich schwer. Ich glaube, außer Egon Bahr hatte er keinen wirklichen Freund." mst
Die Lesung mit Wibke Bruhns im Trierer Museum Karl-Marx-Haus beginnt am Donnerstag, 24. September, um 19.30 Uhr. Der Eintritt ist frei. Anmeldungen unter Telefon 0651/970680 oder E-Mail info.trier@fes.de
Am Freitag, 25. September, diskutiert Bruhns mit bei "Werkstatt Demokratie: Auslauf- oder Zukunftsmodell?" zum 125-jährigen Bestehen der SPD Trier. Beginn ist um 18 Uhr im Kasino Kornmarkt.

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