Wie der Waldpitter den Pfarrer umwarf

"Es war für uns Kinder immer interessant, wenn die Alten auf der Maij von früher erzählten", erinnert sich Berthold Staudt. An einiges kann er sich noch erinnern. So auch an die Geschichten von dem Wederather Original, dem Waldpitter.

Wederath. (red) 1895 erblickte er in Lieser das Licht der Welt, Peter Waldkönig, der Waldpitter. Sein Lebtag lang war er Junggeselle, lebte bei seiner verheirateten Schwester Traud - bis er mit 80 Jahren starb. Fleißig half er in der Landwirtschaft, ein Müßiggänger war er nicht. Berthold Staudt hat ihn noch gekannt.

In seiner Jugend soll der Waldpitter in Saarbrücken für die Brauerei Bierfässer ausgefahren haben. Mit zwei Brauereipferden und dem Wagen mit den Holzfässern fuhr er durch die Stadt von Gastwirtschaft zu Gastwirtschaft. Die Arbeit machte durstig, und Pitter war kein Kostverächter. So kam es nach entsprechendem Bierkonsum einmal zu einem Unfall: Mitten auf dem St. Johannamarkt in Saarbrücken hat der Pitter, weil die Pferde durchgingen, den kompletten Bierwagen auf einmal abgeladen, wobei sich die Fässer auf dem gesamten Platz verteilt haben sollen. Doch das ist nicht die einzige Geschichte, die man sich über ihn erzählt.

Es begab sich, dass Wederath 1862 zum Pfarrort erhoben wurde. Die Pfarrer wohnten jedoch in Bischofsdhron oder Gonzerath. Es war Anfang der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts, als die Pfarrer Matthias Diwo (bis 1922) und anschließend Johannes Buchholz in Gonzerath für Wederath zuständig waren. Natürlich war der Pfarrer damals noch nicht motorisiert. Er wurde zum Wederather Gottesdienst in Gonzerath abgeholt und wieder heimgebracht - mit einer Einspännerkutsche. Und Fuhrmann war der Waldpitter.

Es war ein feuchter Wintertag mit Pappschnee, der immerhin 20 bis 30 Zentimeter hoch lag. Die Wederather waren pünktlich um 9 Uhr zum Sonntagsgottesdienst in der Kirche versammelt. Es fehlte nur noch der Pfarrer, den der Waldpitter mit der Kutsche abholte. Und sie kamen und kamen nicht. Wie es sich gehört, blieben die Gläubigen in der Kirche, konnte doch der strenge Herr Pfarrer jederzeit, wenn auch zu spät, kommen.

Die etwa vier Kilometer lange Strecke von Gonzerath nach Wederath führte über die Höhe durch den Wald. Wahrscheinlich hatte der Pitter wieder einmal zu tief ins Glas geschaut. Kurzum: im Wald auf der Höhe fiel die Kutsche durch einen Lenkfehler um, und der geistliche Herr purzelte in den Pappschnee, wodurch er platschnass wurde. Was half's, die Kutsche wurde gemeinsam auf die Räder gestellt, und zurück ging die Fahrt zum Pfarrhaus Gonzerath, wo sich der Pastor frisch einkleidete. Beim zweiten Anlauf klappte die Fahrt. Vielleicht hatte der Fahrgast auch die Zügel übernommen. Jedenfalls begann der Gottesdienst mit einer Stunde Verspätung - und niemand verlor ein Wort darüber. Nur der Waldpitter bekam das alte Sprichwort zu spüren: "Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen."

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