Wie viele Brote habt ihr?

Diese Frage - als Leitgedanke des Weltgebetstags der Frauen am 4. März - wird ausgesprochen von den Frauen in Chile, die auch die Liturgie zu diesem Tag geprägt haben. Eine Frage aus Neugier? Aus persönlicher Not heraus? Ein Vorwurf? Ein Anstoß zum Nachdenken? Auf jeden Fall eine Frage, die weit über die täglichen Grundbedürfnisse hinausreicht und alles einschließt, was wir zur Verfügung haben, auch unsere finanziellen Möglichkeiten und persönlichen Begabungen.

In der Liturgie werden wir ermutigt, unsere Fähigkeiten zu entdecken, sie zu schätzen und mit anderen zu teilen - zur Bereicherung und zum Segen für alle. Ihre so direkte Frage an uns haben die chilenischen Frauen von Jesus übernommen. Um die vielen Menschen satt zu bekommen, die ihm den ganzen Tag gefolgt waren, wandte er sich an die Jünger: "Wie viele Brote habt ihr?" Und er schickte sie mit dem Wenigen, das sie vorfanden, zu der hungrigen Menge: "Gebt Ihr ihnen zu essen!" Alle wurden satt. Miteinander unterwegs sein, sich umsorgt und gehalten wissen, das hatte in ihnen eine Ahnung erwachsen lassen, was Jesus meinte, wenn er die "Fülle des Lebens" in Aussicht stellte. Aufeinander angewiesen sein, einander ertragen und tragen in Solidarität haben die Menschen in Chile über Jahrtausende hinweg in ihrer wechselhaften und dramatischen Geschichte erfahren, besonders in neuerer Zeit mit Gewaltherrschaft, Diktatur, Ausbeutung, Korruption und Naturkatastrophen. 2010 rückte Chile in den Blick der Weltöffentlichkeit durch zwei schwere Erdbeben mit einer Flutkatastrophe, und die Welt nahm Anteil an der Verschüttung von 33 Bergleuten und sann auf Rettung. Sie wurde auch aufmerksam auf die menschenunwürdigen Lebens- und Arbeitsbedingungen in Chile.

"Unser tägliches Brot gib uns heute", so hat uns Jesus zu beten gelehrt. Er hat aber auch gesagt: "Gebt Ihr ihnen zu essen! Schaut, was ihr habt und teilt es miteinander; es reicht für alle!"

Umso drängender führt die Frage der chilenischen Frauen uns zu der persönlichen Frage: "Wie viele Brote habe i c h ?"

Elfriede Klar, Lehrerin i. R., Esch

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