"Wieder aufstehen ist alles"

Wittlich · Die Kreuzbundgruppe Wittlich beteiligt sich an der Aktionswoche Alkohol, mit der Menschen für die Gefahren des Alkoholmissbrauchs sensibilisiert werden sollen. Der TV hat vorab mit Roman Eller gesprochen. Der 63-jährige Wittlicher ist trockener Alkoholiker, engagiert sich beim Kreuzbund und sagt: Ohne Druck von außen kommt kein Mensch von der Sucht los.

Roman Eller ist trockener Alkoholiker. Beim Kreuzbund Wittlich hilft der 63-Jährige heute anderen, von der Sucht loszukommen. Er leitet eine von sechs Selbsthilfegruppen und ist stellvertretender Geschäftsführer. Die Kreuzbundgruppe Wittlich ist einer von zahlreichen Vereinen, die vom 25. Mai bis 2. Juni die Botschaft der vierten bundesweiten Aktionswoche Alkohol in die Öffentlichkeit tragen wollen: Alkohol? Weniger ist mehr. Mit Roman Eller hat TV-Redaktionsmitglied Eileen Blädel gesprochen.

Weshalb ist es so wichtig, so viele Menschen wie möglich für das Thema zu sensibilisieren?
Eller: Alkohol gehört als Genussmittel zu unserer Kultur. Wo Genuss ist, da ist aber auch Missbrauch. Das ist heute kein Tabuthema mehr, man sollte es im Interesse der Betroffenen aber immer wieder ins Bewusstsein der Leute bringen. Ein Problem ist, dass die Alkoholkranken oft durch ihr soziales Umfeld noch aufgefangen werden, und damit meine ich: Sie werden bei ihrer Sucht oft - unbewusst - unterstützt. Ich bin davon überzeugt, ohne Druck von außen kommt ein Mensch aus seinem Hamsterrad nicht heraus. Der Betroffene ist nachher dankbar dafür.

Warum engagieren Sie sich beim Kreuzbund Wittlich?
Eller: Alkohol macht einsam. Man meint, man wäre allein mit dem Problem. In der Gruppe kann man frei reden. Wer sich in seiner Sucht lange von der Außenwelt abgekapselt hat und dann in die Selbsthilfegruppe kommt, blüht förmlich auf. Das ist Hilfe zur Selbsthilfe. Ich bin selbst als Betroffener zum Kreuzbund gekommen. Seit vier Jahren leite ich eine der Stammgruppen. Ich betrachte es als Geschenk, dass es mir heute so gut geht, und dieses Geschenk möchte ich weitergeben.

Haben Sie den Kampf gegen den Alkohol gewonnen?
Eller: Ich bin seit dem Jahr 1999 trocken. Davor habe ich lange in unterschiedlichen Intervallen und mit unterschiedlicher Intensität getrunken. Den Kampf gegen den Alkohol habe ich nicht gewonnen. Ich habe ihn eingestellt. Man muss erkennen, dass man diesen Gegner nicht besiegen kann und den instinktiven Weg des Ankämpfens verlassen, einfach die Waffen strecken.

Warum wird ein Mensch alkoholabhängig?
Eller: Oft hören wir von Betroffenen: um Stimmungsschwankungen oder Depressionen aufzufangen oder um Konfliktsituationen aus dem Weg zu gehen. Aber Probleme können schwimmen. Durch Alkohol werden sie nur noch größer. Abhängig ist man ab dem Moment, wenn man die Kontrolle über sich verloren hat.

Wie lange dauert es, bis ein Mensch sagen kann: Ich bin Alkoholiker?
Eller: Das dauert oft sehr lange. Der Betroffene will das ja nicht einsehen. Aber mit der Einsicht geht es manchmal erst richtig los: Kampf gegen die Sucht, vermeintlicher Sieg nach einer trockenen Phase, Euphorie, Rückfall in alte Verhaltensmuster, Vertuschung, Versteckspiel und immer wieder Abstürze. Mit Druck von außen kann dieser Leidensweg für den Kranken verkürzt werden. Denn wer trinkt, trinkt im Zweifelsfall bis zum Delirium und bis zum totalen körperlichen Verfall.

Was können Angehörige tun? Angenommen, eine Frau merkt, dass ihr Mann zu viel trinkt - wie kann sie helfen?
Eller: Sie muss ihm sagen: So geht das nicht. Hör auf - oder ich bin weg. Sonst macht sie sich selbst kaputt; sie wird zum Co-Alkoholiker. Angehörige gehen da oft bis zur Selbstaufopferung.

Und steht am Ende das Happy End?
Eller: Bei uns in der Gruppe stützt einer den anderen. Ein Großteil der Menschen in unseren Selbsthilfegruppen bleibt auch da. Aber klar ist auch: Rückfälle gehören dazu. Damit muss man immer rechnen. Der Rückfällige kann aber die positiven Erfahrungen seiner trockenen Zeit in den sich hoffentlich anschließenden Genesungsprozess einbringen. Vorwürfe sind in einer solchen Phase eher kontraproduktiv.

Was ist Ihrer Meinung nach die wichtigste Regel im Umgang mit Alkohol?
Eller: Ganz einfach: Frühzeitig die Reißleine ziehen, Hilfsangebote sind genügend da. Unsere Gesellschaft lässt keinen im Stich. Und nicht vergessen: Fallen kann jeder; wieder aufstehen ist alles.Extra

Alkoholabhängige in Deutschland und im Kreis Bernkastel-Wittlich In Deutschland trinken 96,4 Prozent der Bevölkerung im Alter zwischen 18 und 64 Jahren Alkohol. Alkoholabhängig sind rund 1,3 Millionen Menschen in Deutschland. Alkoholabhängigkeit ist eine anerkannte Krankheit: Alkoholabhängige können nicht anders, sie müssen trinken. Schätzungen belaufen sich auf jährlich etwa 74 000 Todesfälle, die durch Alkoholkonsum verursacht werden. Da die Dunkelziffer hoch ist, ist es schwierig festzustellen, wie viele alkoholabhängige Menschen es im Kreis Bernkastel-Wittlich gibt. Anhaltspunkte finden sich bei einem Blick in die Unfall- und Krankenhausstatistik. Im Jahr 2012 hat es kreisweit 66 Unfälle unter Alkoholeinwirkung im Straßenverkehr gegeben. Dabei wurden zehn Menschen schwer und 26 Menschen leicht verletzt. Im Kreis Bernkastel-Wittlich sind von 2007 bis 2011 insgesamt 2141 Menschen alkoholbedingt in Krankenhäusern behandelt worden. Im gleichen Zeitraum sind 78 Menschen an den Folgen von Alkoholkonsum gestorben. eib/Quellen: aktionswoche-alkohol.de/Statistisches LandesamtExtra

Kreuzbund Wittlich und Programm Aktionswoche Alkohol Der Kreuzbund ist eine Anlaufstelle für Suchtkranke und Angehörige. Im Landkreis Bernkastel-Wittlich gibt es fünf Gruppen: in Wittlich, Bernkastel-Kues, Morbach, Thalfang und Salmtal. In Wittlich gibt es sechs Selbsthilfegruppen - eine Auffang-, eine Frauen- und vier Stammgruppen -, die sich regelmäßig in den DRK-Schulungsräumen oder im Haus der Vereine treffen. Insgesamt kommen etwa 70 Menschen zu den Gesprächen. Im Haus der Jugend gibt es seit zwei Jahren zudem auch eine Jugendselbsthilfegruppe. Interessierte können am Freitag, 24. Mai, 20 Uhr, im DRK-Schulungsraum im Fürstenhof zu einem offenen Gruppenabend der Kreuzbundgruppe Wittlich kommen. Zu einer Sonntagspredigt lädt der Caritasverband Mosel-Eifel-Hunsrück gemeinsam mit den Kreuzbundgruppen Wittlich und Salmtal am Sonntag, 2. Juni, 10.30 Uhr, in die Autobahnkirche St. Paul in Wittlich-Wengerohr ein. eib Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.kreuzbund-wittlich.de und www.aktionswoche-alkohol.de

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