Wintricher Passionsspiele: Vorhang zu, Bart ab

Wintrich · In Wintrich ist wieder der Alltag eingekehrt. Zwei Monate lang war Passionsspielzeit. Nun ist der letzte Vorhang in der Pfarrkirche St. Stephanus gefallen und das letzte Halleluja verklungen. In die Freude über das Gemeinschaftserlebnis mischte sich bei den Mitwirkenden aber auch Wehmut. Denn nach 23 Aufführungen heißt es erst in fünf Jahren wieder: Vorhang auf.

Wintrich. Das Publikum spendete minutenlangen Beifall. Zum letzten Mal stand die Wintricher Passionsspielgemeinschaft am Sonntagabend auf der Bühne. "Professionell, voller Leidenschaft und Herzblut", so fasste ein Zuschauer die enorme gemeinschaftliche Leistung der Darsteller und Sänger in Worte. Die Kirchenglocken läuteten zum Abschluss der Passionsspielzeit mit vollem Klang, die Passionsspielgemeinschaft applaudierte ihrem Spielleiter Dirk Kessler.
Nach fast zwölfmonatiger Probenzeit und zweimonatiger Spielzeit intonierte der Chor zum letzten Mal aus voller Kehle das "Halleluja" aus Händels "Messias". Mit gemischten Gefühlen - mit Freude und auch ein wenig Traurigkeit - schnürten die Darsteller ein letztes Mal die Sandalen, nahmen Helm und Rüstung ab, legten Schleier nieder und hängten die Gewänder auf die Stange.
Zum ersten Mal nach acht Monaten fielen lange Bart- und Kopfhaare der Schere von Friseurin Nicole Marx zum Opfer. So manch einer konnte seine Tränen nicht verbergen. Regisseur, Judas-Darsteller und Ortsbürgermeister Kessler: "Es ist schon eine große Portion Wehmut dabei, aber auch Erleichterung, dass alles so gut lief." Er lobte die 200-köpfige "Gemeinschaft", die immer wieder neu motiviert Höchstleistung erbrachte. "Es war eine tolle Gemeinschaft", bestätigte der 73-jährige "Pharisäer" Otmar Binz.
Als bisher "harmonischste Passionsspiele" bezeichnete Heinz Goergen, Vorsitzender der Passionsvereinigung Wintrich, die Veranstaltungen. Er dankte während der Abschlussfeier allen Mitwirkenden und Helfern.
Es ist eine eingeschworene Gemeinschaft. "Wenn man zeitgemäß ohne Brille auf die Bühne muss, gibt es immer eine helfende Hand", verrät die 87-jährige Katharina Auler, die mit ihrer zwei Jahre jüngeren Schwester Maria Fischer als Hirtin auf der Bühne stand. Auch die junge Generation teilt die Begeisterung. "Schade, dass es vorbei ist", gestehen die "Engel" Jule Kessler aus Wintrich, Elena Bloser aus Maring-Noviand und Johannes-Darsteller Constantin Zimmer. Auch Veronika Beringhoff hätte gerne noch weitergemacht. Sie verkörperte den Satan: "Eine sehr charaktervolle Rolle."
Das große Publikumsinteresse an den Passionsspielen schlägt sich auch in den Übernachtungszahlen nieder. "Rund ein Drittel der Gäste übernachtet in Wintrich und der ganzen Umgebung. Das belebt gerade die tourismusschwache Zeit im März und April", hebt Hilmar Engelhardt, Vorstandmitglied der Passionsvereinigung, hervor.
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1995 gründete sich die Wintricher Passionsspielvereinigung, bei der alle Fäden zusammenlaufen. Der Gewinn aus den Veranstaltungen wird laut Vereinsbeschluss für kirchliche und soziale Zwecke eingesetzt. Bei den diesjährigen Passionsspielen gab es drei Benefizveranstaltungen zugunsten des Vereins "Von Betroffenen für Betroffene", des Verbandes "Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft" Rheinland-Pfalz sowie des Vereins "Klein Bethlehem", einem Kinderhilfsprojekt in Indien. Alle drei erhielten jeweils einen Scheck über 10 000 Euro. mblExtra

Darsteller Otmar Binz: "Wenn man zu den Passionsspielen kam, sah man stets strahlende Gesichter." GesangssolistGerd Elsen: "Was machen wir nun mit den freien Wochenenden?"

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