Winzerhaus birgt spannende Geschichten

Zeltingen-Rachtig · Wenn Häuser Geschichten erzählen könnten, würden die Berichte des Zeltinger Winzerhauses von Werner und Renate Weber sicher mehr als einen Band füllen. Die Recherchen des pensionierten Studiendirektors und Hobbyhistorikers führen bis in die USA.

 Werner und Renate Weber vor ihrem Haus in Zeltingen. Als sie das heutige Kleinod kauften, verfügte es weder über Strom noch Wasser. TV-Foto: Ursula Schmieder

Werner und Renate Weber vor ihrem Haus in Zeltingen. Als sie das heutige Kleinod kauften, verfügte es weder über Strom noch Wasser. TV-Foto: Ursula Schmieder

Zeltingen-Rachtig. Gäste von Werner und Renate Weber beneiden das Ehepaar um sein Anwesen im Ortsteil Zeltingen. Mit seiner für den Ort einst typischen Bauweise ist es eine Zierde für die Kurfürstenstraße. Vor allem aber spiegelt das vermutlich 1647 im Ortszentrum erbaute Fachwerkhaus den Wohlstand der Menschen wider, die dort einst lebten. Zumindest heute - denn als sie das Haus 2008 kauften, war es 15 Jahre unbewohnt gewesen und in einem wenig attraktiven Zustand. "Kein Licht, kein Wasser, keine Heizung", bringt der pensionierte Studiendirektor den damaligen Status auf den Punkt. Alte Eisenrohre seien zwar verlegt gewesen, aber irgendwann durch Frost geplatzt.
Dorf- geschichte(n)


Dennoch wollte das Paar, das es von Nordrhein-Westfalen an die Mosel zog - Webers Großvater stammte aus Cochem - dieses Haus und kein anderes kaufen. "Das alte Haus hat einfach eine Seele", nennt Renate Weber einen entscheidenden Aspekt. Laut Werner Weber wartet es zudem beständig mit Überraschungen auf. Sie hätten zwar schon mal neu gebaut - doch das sei weit weniger interessant gewesen: "Man entdeckt immer wieder neue alte Sachen", weiß der Hobbyhistoriker zu schätzen, der auch Karten von Zeltingen und Rachtig um 1830 hat drucken lassen. Diese enthalten nicht nur alle damaligen Gebäude, sondern auch die Namen ihrer Eigentümer und deren Berufe (der TV berichtete).
An dem historischen Fachwerkhaus schätzt Weber einerseits bauliche Besonderheiten. So etwa den im Keller ausgebuddelten Brunnen oder die Kölner Decken. Deren Gefache legten sie frei und verputzen sie wieder geschwungen wie einst, so dass die Balkendecke erneut zu sehen ist. Andererseits faszinieren das Paar Überlegungen, wer wohl früher in ihrem Zuhause lebte und welchen Berufen die Leute nachgingen.
Dank Webers Recherchen gibt es inzwischen eine Liste mit Namen früherer Eigentümer - allesamt Nachkommen einer Familie Griebeler. Jacobus Griebeler, ein angesehener Gerichtsschöffe aus Bernkastel, soll das Haus um 1763 gekauft und in großem Stil umgebaut haben. Davon zeugen hohe Zimmerdecken sowie die aus dieser Zeit stammende Eingangstür. Von der Tür im Rokokostil ist eine besondere Geschichte überliefert.
Für einen Nachkommen, den unbeliebten Steuereinnehmer Michael Griebeler (1812 bis 1898), erwies sie sich nämlich als Glücksfall. Gerade noch rechtzeitig konnte er sich ins Haus retten, während die Spitze eines nach ihm geschleuderten Speeres in der massiven Tür stecken blieb. Die hinterlassene Kerbe ist noch heute zu sehen. Als Griebeler dann eines Tages spurlos verschwand, war der Weg frei für wildeste Spekulationen.
Webers Internetrecherchen ergaben, dass er nach Amerika ausgewandert war. Im Stammbaum einer 1960 geborenen Ahnenforscherin entdeckte er den vermissten Michael Griebeler aus Zeltingen.
Weniger abenteuerlich ist die Geschichte der übrigen Bewohner. Nach Jacobus Griebeler, der in Unterlagen auch als "Medicus" bezeichnet wird, lebte dort Michael Joseph Griebeler, der Vater des späteren Amerikaners. Während Joseph noch Bäcker, Winzer und Schankwirt war, lebten seine Nachkommen offensichtlich ausschließlich vom Weinbau.
Die neuen Eigentümer, nach rund 250 Jahren erstmals keine Griebelers, knüpfen ein klein wenig an diese Tradition an. Renate und Werner Weber haben in dem alten Winzerhaus eine Galerie und eine Vinothek eingerichtet. In der Galerie gibt es Mosellandschaften zu entdecken - in der Vinothek Weine von 18 Zeltinger Winzern.

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