Winzerstreit um Weinbezeichnungen

Bernkastel-Kues/Kröv · Im deutschen Wein-Bezeichnungsrecht stehen große Veränderungen an. Ein Ziel ist es, die vielen kleinen Einzellagen qualitativ aufzuwerten. Je kleiner die geografische Einheit, desto höher sollen die Anforderungen an das Erzeugnis sein, so das Bestreben. Das schmeckt aber nicht allen Moselwinzern.

Brauneberger Juffer, Bernkasteler Doktor, Wehlener Sonnenuhr, Ürziger Würzgarten - das sind vier von 520 Einzellagen im Weinanbaugebiet Mosel. Ein Wein, der mit einer solchen Bezeichnung vermarktet wird, muss lediglich dort gewachsen sein. Die Qualitätsanforderungen sind hingegen gering. Es kann ein einfacher Qualitätswein sein, aber auch eine hochwertige Auslese. Es kann ein Riesling sein, aber auch eine andere, weniger moseltypische Rebsorte wie Bacchus oder Dornfelder. Das soll sich demnächst ändern. Das Deutsche Weingesetz und die entsprechende Landesverordnung werden voraussichtlich noch in diesem Jahr geändert, so dass die neue Regelung bereits für den Weinjahrgang 2013 gilt.

Zurzeit wird im Weinbauverband Mosel heftig darüber diskutiert, wie das neue Bezeichnungsrecht ausgestaltet werden soll. Vergangene Woche trafen sich die Delegierten des Verbandes in Koblenz, um über die Vorschläge der Arbeitsgruppe Bezeichnungsrecht zu diskutieren. In dieser Arbeitsgruppe sind Weinbau- und Kellereiverbände aus allen sechs rheinland-pfälzischen Weinbaugebieten vertreten.

Heiße Diskussion

Nach TV-Informationen gab es in Koblenz eine heiße Diskussion, zumal Wochen zuvor der Ortswinzerverband Kröv eine Postkartenaktion gestartet hatte. "Ich will keine Änderung im Bezeichnungsrecht und des Hektarertrages" steht auf der Karte, die, von Winzern unterzeichnet, an die Geschäftsstelle des Weinbauverbandes nach Trier geschickt werden soll. Nach Angaben von Gerd Knebel, Geschäftsführer des Weinbauverbandes Mosel, sind rund 100 unterschriebene Karten in der Geschäftsstelle in Trier eingegangen.

Unterschiedliche Auffassungen gibt es vor allem in der Frage, welche Qualitätskriterien an Weine gestellt werden, die auf dem Etikett eine Einzellage, wie zum Beispiel Ürziger Würzlay, führen.
Die Arbeitsgruppe will für solche Weine mindestens eine Kabinett-Qualität. Ein Riesling müsste dann beispielsweise einen Zuckergehalt von mindestens 73 Grad Oechsle haben. Bislang reichten 55 Grad Oechsle. Der Verband der Prädikatsweingüter, in dem Spitzengüter organisiert sind, will sogar den Wert auf 80 Grad raufsetzen. Die Delegierten des Verbandes stimmten ab: Eine Mehrheit spricht sich für 75 Grad Oechsle aus.

Ein weiterer Vorschlag der Arbeitsgruppe stieß auf Widerstand. Nur Weine der Rebsorten Riesling, Elbling und von Burgundersorten dürften eine Einzellage auf dem Etikett tragen. Das lehnten die Delegierten ab. Schließlich wurde heftig über eine Mengenbegrenzung diskutiert. Derzeit gilt an der Mosel generell für alle Qualitätsweine ein Hektarhöchstertrag von 125 Hektolitern pro Hektar. Um rund 20 Prozent soll dieser Wert reduziert werden. Die Prädikatsweingüter sprechen sich gar für einen Höchstertrag für Einzellagenweine von nur 80 Hektoliter pro Hektar aus. Die Delegierten kamen in dieser Frage zu keinem Beschluss und vertagten das heiße Eisen.

Nicht nur Spitzenbetriebe

Der Vorsitzende des Ortswinzerverbandes Kröv, Otto Schnitzius, hält nichts von einer Änderung des Bezeichnungsrechts und Absenkung des Hektar-Ertrages. Schnitzius: "Es gibt überhaupt keine Veranlassung, die Winzer mit solchen Einschränkungen zu knebeln. Die Einzellagenweine laufen doch gut." Weine, die die hohen Anforderungen nicht erfüllen, könnten in Zukunft unter anderem als Ortsweine vermarktet werden - beispielsweise als "Kröver Riesling". Schnitzius vermutet, dass sich die Top-Weingüter der Konkurrenz der "kleinen, erfolgreichen, selbstvermarktenden Winzer" entledigen wollen. Schnitzius: "Wir können nicht so tun, als ob es nur Spitzenbetriebe an der Mosel gibt."

Mosel-Weinbaupräsident Rolf Haxel ist für eine stärkere Profilierung der Einzellagenweine - und daher müssten die Qualitätsanforderungen erhöht werden. Haxel: "Der Kröver Winzerverband will den Status quo beibehalten. Das wird aber auf Dauer nicht möglich sein. Jetzt können wir eine Gesetzesänderung noch mitgestalten. Bewegen wir uns nicht, wird uns das Land eine Regelung einfach überstülpen."
Meinung

Auf die Lage kommt es an
Die von Brüssel geforderte Änderung des Weinbezeichnungsrechts ist nichts weniger als eine Revolution im deutschen Weinbau. Die EU will auch in Deutschland anstelle des germanischen das romanische Bezeichnungsrecht etablieren. Dieses stützt sich nicht so sehr auf die Qualität des Produktes mit seinen Kategorien wie Tafelwein, Qualitätswein, Spät- und Auslese, sondern auf dessen Herkunft. Ein Brauneberger Juffer Qualitätswein kann heute ein pappsüßer, geradeso von der Qualitätsweinprüfung genehmigter und billiger Wein sein, er kann aber auch ein wunderbarer und hochwertiger Riesling-Steillagenwein sein. Das ist Verbraucherverwirrung. Vor allem die Top-Güter mit ihren Spitzen-Steillagen sehen nun in einer Verschärfung der Qualitätsanforderungen die Chance, ihre Weine besser zu profilieren. Winzer mit weniger guten Lagen befürchten hingegen Nachteile. Wird zum Beispiel der Hektar-Höchstertrag um 20 Prozent gesenkt, muss folglich der Weinpreis um 20 Prozent steigen. Viele selbstvermarktende Winzer, die gute und preiswerte Weine erzeugen, sagen, dass ihre Kunden das nicht mitmachen. Weitere heiße Diskussionen im Weinbauverband sind zu erwarten. w.simon@volksfreund.de

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