Kommunalreform "Wir sind alle Hunsrücker"

Thalfang · Thalfangs Verbandsgemeindebürgermeister Marc Hüllenkremer erklärt im Interview die Gründe für seine Entscheidung, eine Rechnung eines Kölner Anwalts nicht zu bezahlen - und wie es in der Kommunalreform weitergehen soll.

 Marc Hüllenkremer, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Thalfang, erläutert seinen Standpunkt in Hinblick auf die Kommunalreform. TV-Foto: Klaus Kimmling

Marc Hüllenkremer, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Thalfang, erläutert seinen Standpunkt in Hinblick auf die Kommunalreform. TV-Foto: Klaus Kimmling

Foto: klaus kimmling (kik) ("TV-Upload kimmling"

Thalfang Marc Hüllenkremer, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Thalfang, wurde in den vergangenen Wochen von seinen Beisitzern und von mehreren Fraktionen, die im Rat vertreten sind, kritisiert. Die Ursache: Hüllenkremer hatte gemeinsam mit den Ortsbürgermeistern Reiner Roth (Lückenburg) und Richard Pestemer (Neunkirchen) eine Anwaltskanzlei in Köln besucht. Dort wollte er sich über die Kommunalreform beraten lassen. Das tat er, nach Aussage der Fraktionen, ohne den Gemeinderat oder seine Beisitzer in Kenntnis zu setzen. Das Thema kam im Gemeinderat erst auf den Tisch, als eine Klage einging, die das Kölner Rechtsanwaltsbüro gegen die VG Thalfang wegen unbezahlter Rechnungen über 8500 Euro eingereicht hatte. Hüllenkremer argumentierte damit, dass das Büro nicht ausreichend beraten habe. Der Rat hatte daraufhin beschlossen, das nicht zu revidieren, weil Hüllenkremer versicherte, im Falle einer Niederlage vor dem Landgericht alle Kosten aus eigener Tasche zu bezahlen (der TV berichtete mehrfach). Im Interview mit TV-Redakteur Hans-Peter Linz erklärt Marc Hüllenkremer die Gründe.Aus welchem Grund haben Sie die Anwaltskanzlei in Köln aufgesucht?HÜLLENKREMER Den Besuch in Köln muss man vor dem zeitlichen Zusammenhang sehen. Ich wollte auf der Grundlage der Beschlüsse zur Kommunalreform in den Ortsgemeinden und im Verbandsgemeinderat einen Beschluss vorbereiten, der rechtlich einwandfrei uns die Möglichkeit aufzeigt, wie es in der Kommunalreform weitergeht. Wir wollten eine akzeptable Lösung für alle Beteiligten finden, die auch rechtlich trägt. Damit ist die Gesamtlösung gemeint: Für die Verbandsgemeinde mit all ihren zugehörigen Ortsgemeinden. Aus dieser Intention bin ich mit den beiden Bürgermeistern dorthingefahren, um auch die Sichtweisen der Ortsgemeinden zu berücksichtigen. Zur damaligen Zeit war mir die Durchführung einer Bürgerinformationsveranstaltung untersagt worden, durch welche ich eine umfassende Information für alle Interessierten zur Thematik Kommunal- und Verwaltungsreform erbringen wollte. Hierdurch war es mir nicht möglich, sowohl den Beschlüssen der Verbandsgemeinde als auch den Beschlüssen, Bürgerbefragungen und Bürgerentscheiden der Ortsgemeinden gleichermaßen gerecht zu werden. Hierzu war ein Verfahren vor der Kommunalaufsicht anhängig, welches die Beigeordneten auslösten. Vor diesem Hintergrund war es mir nicht möglich, die Beigeordneten bei der Findung einer Lösung um Hilfe zu bitten. Da ich hier durch deren Verhalten den Eindruck hatte, dass diese nicht gewillt waren, eine auch für alle Ortsgemeinden annehmbaren Lösung zu finden.Daher hatte ich mich entschlossen, bei kompetenten Rechtsanwälten objektiven Rat einzuholen. Dieser Rat war auch nicht vom Gemeinde- und Städtebund (GStB) zu erwarten, da der GStB zu diesem Zeitpunkt nicht bereit war, die Moderation für die von mir angedachte Bürgerinformationsveranstaltung zu übernehmen.Letztendlich ist es auch ohne rechtsanwaltliche Beratung dennoch gelungen, durch den Beschluss des Verbandsgemeinderates der Verbandsgemeinde Thalfang am Erbeskopf vom 30. Juni 2017 eine für alle Seiten akzeptable Lösung zu finden.Dabei ging es also auch um die Beschlusslage zur Kommunalreform?HÜLLENKREMER Ja, denn bis August 2016 war die Beschlusslage auf den Erhalt der Selbstständigkeit der Ortsgemeinden ausgerichtet, also auf den Erhalt der Verbandsgemeinde. Dann kam erst die Kehrtwende in Richtung Morbach. Das ist eine rechtlich sehr komplizierte Angelegenheit. Als Bürgermeister muss ich ja beiden Seiten, den Ortsgemeinden und dem Verbandsgemeinderat, gerecht werden. Ich hatte vor meinem Amtsantritt in der Wahl immer gesagt: Jeder kann dahingehen, wo er hinmöchte. Am besten ist es ja auch, wenn die Bürger entscheiden. Das hatte sich das Land auch auf die Fahnen geschrieben. Warum haben Sie die Beigeordneten nicht mit zum Anwalt genommen?HÜLLENKREMER Ich hatte damals eine Infoveranstaltung geplant, die ich nach wie vor am besten gefunden hätte. Diese Veranstaltung durfte ich ja nicht so umsetzen. Da wurde dagegen vorgegangen, die Beigeordneten hatten ein Verfahren bei der Kommunalaufsicht initiiert. Bei aller Liebe - ich muss manchmal auch gucken, dass ich mich meiner Haut erwehre. Ich wollte mich durchaus objektiv von einem außenstehenden Dritten beraten lassen. Ich denke, das ist nicht das Verkehrteste und damit auch nachvollziehbar. Obwohl leider diese Beratung nicht erfolgt ist, ist es uns dennoch gelungen, am 30. Juni diesen Jahres im Verbandgemeinderat einen Beschluss zu fassen, der bei einer Enthaltung von allen angenommen wurde. Das ist auch eine Mordsleistung, natürlich auch von der Verwaltung. Dem Beauftragungsgrund der Kanzlei wurde in keinster Weise nachgekommen. Mehr kann ich dazu nicht sagen, denn ich muss jetzt eine Klage-Erwiderung machen, das ist dann Inhalt meiner Verteidigung. Die Leistung wurde nicht gebracht, deshalb können wir auch nicht bezahlen. Ich sehe es partout nicht ein, denn in dieser Sache geht es ums Prinzip. Ein Gericht muss entscheiden, ob die Beratung erfolgt ist oder nicht. Diese Entscheidung wurde vom Rat mitgetragen.Wie sieht denn nun die Zukunft für die Verbandsgemeinde Thalfang aus?HÜLLENKREMER Nach dem Termin mit Staatssekretär Kern im Februar hat sich ja einiges erklärt. Im Vorfeld war ja alles offen. Da hieß es noch nicht Hermeskeil oder Morbach. Nichtsdestotrotz bestehen immer noch Beschlüsse der Ortsgemeinden, die mich auch binden. So einfach komme ich da nicht raus. Der Beschluss von Berglicht zum Beispiel, nach Bernkastel-Kues zu gehen, (mit dem es aber keine gemeinsame Grenze hat), ist nicht per se rechtswidrig. Deshalb bin ich nach wie vor verpflichtet, denen zu helfen. Inzwischen wird von beiden Seiten, von Morbach und von Hermeskeil, gebeten, einen Vertreter des Landes hinzuzunehmen. Ich habe auch keine Probleme mit Morbach und mit der Einheitsgemeinde. Das muss jede Gemeinde selbst entscheiden. Jetzt ist das erfolgt, und damit bin ich sehr zufrieden. Jetzt müssen Verhandlungen geführt werden. Dazu bin ich bereit. Das, was wir mit dem Gang zum Anwalt klären wollten, haben wir letzten Endes selbst geklärt. Von mir als Bürgermeister wird erwartet, dass ich alle Interessen im Gesamtüberblick wahre, diesen gerecht werde und das auch rechtlich einwandfrei. Wir sollten aber keine kleinen Grenzen ziehen, denn wir machen schließlich jeden Tag einen auf Europäer.Wie sehen Sie das Problem eines Schuldenausgleichs im Rahmen der Kommunalreform?HÜLLENKREMER Wir müssen jetzt gucken, wie diese Fusion vonstatten geht. Die Beschlusslage vom 30. Juni und auch der Bürgerentscheid von Thalfang zeigen ja klar, wo die Reise hingeht. Dabei muss der Finanzausgleich irgendwann geregelt werden. Dabei geht es ja um einen großen Betrag, die Verbandsgemeinde hat etwa 54 Millionen Euro Schulden.HÜLLENKREMER Vor der Schuldenbelastung, die Thalfang mitbringt, macht es ja Sinn, vom Land einen Schuldenausgleich zu fordern. Die VG Thalfang steht gerade deshalb auf der Liste, weil sie nicht mehr lebensfähig ist. Ohne Finanzausgleich würde man mit der Kommunalreform aus einer kleinen nicht mehr lebensfähigen Kommune nur eine größere, ebenfalls nicht lebensfähige Kommune machen. Durch eine Kommunalreform können wir die Finanzen der Kommunen nicht verbessern. Das muss an anderen Stellen erfolgen. Das ist der Kampf um die Ressourcen. Deshalb heißt es ja auch nicht Finanzreform. Letzten Endes müssen wir eine große Hunsrückgemeinde entwickeln, die zukunftsfähig ist, sowohl in Hermeskeil als auch in Morbach. Wir müssen mehr zusammenwachsen, wir müssen mehr Hunsrück sein. Eigentlich sind wir alle hier Hunsrück, in dem Gebiet, das durch die vier Flüsse Rhein, Mosel, Saar und Nahe bestimmt wird. In diesem Riesengebiet, sind wir abwechslungsreich unterwegs, und trotzdem sind wir alle Hunsrücker. Das ist doch klasse.Hans-Peter LinzInterview Marc HüllenkremerExtra: RECHTSANWALT AUS HESSEN

Marc Hüllenkremer stammt aus dem hessischen Hanau, war aber auch regelmäßig bei seinen Großeltern auf dem Heidenburger Hof, wo er auch gewohnt hat. Seine Rechtsanwaltskanzlei betreibt er in Horath. Hüllenkremer ist verheiratet. Der 37-jährige Jurist wurde 2013 als parteiloser Kandidat in Thafang zum Chef der Verbandsgemeinde gewählt. Hüllenkremer versprach bei Amtsantritt, dass die Interessen der Ortsgemeinden bei der Kommunalreform berücksichtigt werden sollen, auch in dem Fall, in dem sich Gemeinden in unterschiedliche Richtungen orientieren.Extra: STICHWORT KOMMUNALREFORM

15 Ortsgemeinden der Verbandsgemeinde Thalfang haben sich für einen Wechsel in die benachbarte Einheitsgemeinde Morbach entschieden. Die Ortsgemeinde Thalfang, mit 1834 Einwohnern der Hauptort der Verbandsgemeinde, hat dazu einen Bürgerentscheid gemacht. Das sind insgesamt 4107 Bürger der VG - und damit etwas mehr als die Hälfte der insgesamt 7283 Einwohner der Verbandsgemeinde - die vom Land als zu klein erachtet wird und damit im Rahmen der Kommunalreform einer oder mehreren benachbarten Kommunen angeschlossen werden soll. Sechs weitere Gemeinden, Malborn, Neunkirchen, Berglicht, Heidenburg, Büdlich und Breit wollen nicht nach Morbach. Malborn (1355 Einwohner) und Neunkirchen (162 Einwohner) wollen nach Hermeskeil wechseln. Büdlich (219), Breit (284), Berglicht (438) und Heidenburg (718) streben zun einer Verbandsgemeinde wie Bernkastel-Kues oder Schweich.

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