"Wir sind über den Tisch gezogen worden"

Altrich/Wittlich · Rechtlicher Beistand, Bitten und Tränen: Trotz aller Anstrengungen und Belastungen ist Familie Schmitz aus Wittlich-Neuerburg mit ihrem Wunsch, auf dem gekauften Bauland in Altrich ein Haus errichten zu dürfen, vor dem Verwaltungsgericht Trier gescheitert. Richter Reinhard Dierkes sieht aufgrund der möglichen Geruchsbelästigung durch den benachbarten Bauernhof keine Möglichkeit für eine Baugenehmigung.

 Ottmar und Ursula Schmitz verzweifeln angesichts der Aktenberge des Rechtsstreits über das unbebaubare Bauland, der ihnen seit 2013 schlaflose Nächte bereitet. TV-Foto: Christian Moeris

Ottmar und Ursula Schmitz verzweifeln angesichts der Aktenberge des Rechtsstreits über das unbebaubare Bauland, der ihnen seit 2013 schlaflose Nächte bereitet. TV-Foto: Christian Moeris

Altrich/Wittlich. Ursula Schmitz, Ehemann Ottmar und Tochter Nina aus Wittlich-Neuerburg sind am Ende ihrer Kräfte und darüber hinaus am Endpunkt eines langen rechtlichen Verfahrens angelangt. "Wir sind über den Tisch gezogen worden", sagt die 53-Jährige Ursula Schmitz, nachdem ihr Traum, auf einem als Bauland gekauften Grundstück in Altrich ein Haus errichten zu dürfen, am Donnerstag vor dem Verwaltungsgericht Trier zerplatzt ist. Die Familie hatte das als Bauland deklarierte Grundstück im Oktober 2012 von einem Privatmann gekauft. Aufgrund eines notwendigen Immissionsschutzgutachtens für den angrenzenden Bauernhof, in dem ein Gutachter den theoretisch möglichen Gestank des landwirtschaftlichen Betriebs ausrechnete, darf die Familie auf dem 39 000 Euro teuren Grundstück jedoch nicht bauen (Der TV berichtete). Doch das Gutachten schmeckt der Familie und ihrem rechtlichen Vertreter, Curt Jeromin, nicht. Denn auf dem Bauernhof neben dem Grundstück der Familie Schmitz werden seit Jahren gar keine Tiere mehr gehalten. Der Landwirt hat zwar die Erlaubnis zur Viehhaltung, betreibt derzeit jedoch nur Ackerbau.
Eine Baugenehmigung für ihr Grundstück direkt neben den leeren Ställen bekommt die Familie trotzdem nicht. Denn der Bauer könnte ja Vieh halten, wenn er wolle, erklärt Reinhard Dierkes, Vizepräsident des Verwaltungsgerichts Trier. Und dann sei wegen der Geruchsbelästigung mit Klagen und Beschwerden der Bewohner oder Mieter zu rechnen, die das Gesetz durch die Ablehnung des Bauantrags bereits im Vorhinein zu verhindern sucht.
Curt Jeromin, Rechtsanwalt der Familie Schmitz, stört auch die Datengrundlage, die der Gutachter für sein Immissionsgutachten herangezogen hat. Denn der Ingenieur kalkuliert mit Wetterdaten der Messstation auf dem Trierer Petrisberg. Von diesen Daten könne man nicht die tatsächlich vorherrschende Windrichtung und mögliche Gerüche rund um den Bauernhof in Altrich errechnen, so Jeromin. Richter Dierkes sieht das Gutachten mit diesem Einwand jedoch nicht in Frage gestellt.
Doch Gutachten hin - Gutachten her: "Uns wäre der Landgeruch egal", sagt Ursula Schmitz. "Wenn wir auf unserem Baugrundstück bauen dürften, würden wir uns niemals über den Bauernhof beschweren." Doch die simple Einverständniserklärung der Familie findet in der juristischen Welt keine Anwendung. Um eine rechtskräftige Entscheidung zu ihren Ungunsten zu vermeiden und Kosten zu sparen, hat die Familie zum Ende der Gerichtssitzung ihre Klage zurückgezogen. Richter Dierkes stellte das Verfahren ein: "Das ist kein schöner Tag für Sie, aber die Rechts- und Sachlage ist eindeutig." Mit dem Bauverbot auf ihrem Grundstück ist die Familie aus Wittlich-Neuerburg nun Eigentümerin der teuersten Wiese im Landkreis.
Die Möglichkeit, den Kauf rückgängig zu machen und gegen den Verkäufer vorzugehen, sieht Ursula Schmitz auch nicht. "Der sagt: Er habe nichts von den Problemen wegen der Nähe des Bauernhofes gewusst." Zudem sei ihnen erst nach Vertragsabschluss aufgefallen, dass der Verkäufer das Wort "Bauland" in späteren Vertragsversionen durch "Grundstück" ersetzt habe. Schmitz: "Da sind wir drauf reingefallen." Neben der juristischen Niederlage kommen auf die Familie auch noch die Kosten des Gutachtens sowie Gerichts- und Anwaltsgebühren zu. Ottmar Schmitz: "Wir rechnen mit einer finanziellen Belastung von 30 000 Euro. Das geht wirklich an die Substanz. Manchmal bekomme ich deshalb nachts kein Auge mehr zu."
Meinung

Das stinkt zum Himmel
Makler, Kreisverwaltung, Katasteramt und Ortsgemeinde: Niemand will etwas von den möglichen Problemen des Grundstücks durch seine Nähe zum Bauernhof gewusst haben, bis die Struktur- und Genehmigungs Direktion Nord 2013 ein Immissionsgutachten forderte. Auch der Verkäufer des "schönen Baugrundstücks mit herrlichem Fernblick in Altrich" gibt sich ahnungslos. Niemand hat der Familie vor dem Kauf oder während der Vertragsverhandlungen, den Vermessungen und Eintragungen im Grundbuch einen Wink gegeben, dass man auf diesem "Bauland" womöglich gar kein Haus errichten kann. Das riecht nach Betrug. Darüber hinaus fragt man sich, warum die eigene Entscheidung der Familie, die sich nach eigener Aussage nie über den Geruch des Bauernhofs beschweren würde, keinen Eingang in die Rechtsprechung findet? Woran der aktuelle Fall jedoch keine Zweifel lässt, ist, dass man scheinbar "Baugrundstücke" verkaufen kann, auf denen man nicht bauen darf. mosel@volksfreund.de

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