Wirtschaftskreis besucht Wittlicher Feuerwehr: Wenn der Mittelstand zur Rettungsschere greift

Wittlich · Der Wirtschaftskreis Bernkastel-Wittlich hat die Feuerwehr besucht. Gegenseitiges Verständnis ist wichtig, denn im Notfall muss ein Brandschützer den Arbeitsplatz gegen den Einsatzort tauschen.

 Robert Franz, Monika Lammes und Ralph Scheid (von links) beim Einsatz mit der Rettungsschere. TV-Foto: Christina Bents

Robert Franz, Monika Lammes und Ralph Scheid (von links) beim Einsatz mit der Rettungsschere. TV-Foto: Christina Bents

Foto: Christina Bents (chb) ("TV-Upload Bents"

Die Feuerwehr Wittlich hat im Durchschnitt 200 Einsätze im Jahr. In acht Minuten sollen die Feuerwehrleute an der Einsatzstelle sein. Viele von ihnen müssen dann schnellstmöglich von der Arbeit weg. "Das muss der Arbeitgeber akzeptieren, ansonsten ist es unterlassene Hilfeleistung", berichtet Conny Becker, Vorsitzender des Wirtschaftskreises. Der hatte sich jetzt bei der Freiwilligen Feuerwehr getroffen, um mehr über die Strukturen, die Einsätze und die Technik zu erfahren. Becker verglich die Feuerwehr mit einem mittelständischen Unternehmen, dass ein umfangreiches Angebot vorhält, nämlich Retten, Bergen, Löschen, feste Lieferzeiten hat, damit sind die acht Minuten bis zum Einsatzort gemeint, und die Logistik, Personal und Material in ausreichendem Maß vorhalten muss.

Christian Vollmer, Wehrleiter der Wittlicher Truppe, konnte den Unternehmern viele Informationen geben. Er erklärte beispielsweise, wie die einzelnen Feuerwachen zu ihren speziellen Fahrzeugen kommen. Die Gemeinden, die nach einem Landesgesetz zuständig sind, teilen die Ausrückebereiche in verschiedene Risikoklassen ein. Dabei geht es darum, ob dort beispielsweise durch eine Autobahn die technische Hilfe eine besondere Rolle spielt, ein Chemiekonzern ansässig ist oder Gewässer zu einer Gefahr werden könnten. So ist die Feuerwehr Wittlich mit einem kleinen Boot ausgestattet, um bei einer Eisrettung auf den beiden kleinen Seen die Einsatzzeit einhalten zu können.
Aus dem Wirtschaftskreis Bernkastel-Wittlich, der insgesamt 188 Mitglieder hat, die aus Industrie, Handel, Banken und Handwerk kommen, waren 45 Mitglieder gekommen, unter anderem aus Kröv, Ürzig, Traben-Trarbach und Wittlich. Sie wollten beispielsweise wissen, ob beim Löschen eines Gebäudes eine Solaranlage ein Problem ist. Vollmer erklärte, dass man sehr vorsichtig und mit Abstand arbeiten müsse, wobei nicht nur der Strom der Anlage, sondern auch die Statik des Gebäudes ein Problem sein könnten. Denn viele Anlagen seien nachträglich gebaut worden.

Das Thema Waldbrand beschäftigte die Besucher ebenfalls. Dazu führte der Wehrleiter aus, bei einem Waldbrand, wenn er über Tage ginge, komme man schnell an personelle Grenzen, denn die Feuerwehr Wittlich hat rund 150 Freiwillige Feuerwehrleute für etwa 20 000 Einwohner. Zum Vergleich: In Wittlich-Land sind es für 30 000 Einwohner ungefähr 1000 Feuerwehrleute. Für die Zukunft erwartet Vollmer, dass das Thema Dämmung an Häuserfassaden, nach dem verheerenden Brand in London am Greenfell Tower, in die Diskussion kommt.

Nach statistischen Daten zu den Einsätzen der Feuerwehr ging es dann in die Fahrzeughalle. An einem alten Lieferwagen durften die Wirtschaftskreismitglieder einmal selbst versuchen mit einer Rettungsschere oder einem Spreizer, Teile herauszuhebeln, wie es bei einem Verkehrsunfall nötig ist, um Verletzte zu bergen. Monika Lammes von "clean for you" und Robert Franz von "Kuhn Autotechnik" ließen sich das nicht entgehen. Ralph Scheid von der Feuerwehr erklärte ihnen das 15 Kilo schwere Gerät, und schon einige Sekunden später war der Sitz losgeschnitten und die Türöffnung verbreitert. Nach den vielen Informationen tauschten sich die Mittelständler in geselliger Runde untereinander aus, was ein weiteres wichtiges Ziel des Zusammentreffens war.Extra: Wenn der Piepser während der Arbeit geht

Das Landesbrand- und Katastrophenschutzgesetz LBKG regelt, dass bei einem Einsatz weder dem Feuerwehrmann oder dem Betrieb ein Nachteil entstehen soll. Der Arbeitgeber muss, laut Gesetz den Arbeitnehmer zu seinem Einsatz gehen lassen, ansonsten ist das unterlassene Hilfeleistung. Der Betrieb bekommt den Ausfall von der Kommune bezahlt, oder der Arbeitnehmer bekommt das Geld direkt von der Kommune. Bei einer Bewerbung, ist der Feuerwehrmann verpflichtet, anzugeben, dass er bei der Feuerwehr ist. Deshalb darf ihm aber kein Nachteil bei der Einstellung entstehen, und das darf auch kein Entlassungsgrund sein.Extra: REAKTIONEN BEI EINSÄTZEN

Für Firmenchefs vom Wirtschaftskreis ist es kein Problem, wenn ihre Arbeitnehmer zu einem Feuerwehreinsatz müssen.

Robert Franz, Kuhn Autotechnik, sagt: "Die Mitarbeiter, die bei der Feuerwehr sind, haben bei uns die volle Freiheit, direkt bei einem Einsatz loszugehen."

Eduard Kochan, Hieronimie, erklärt: "Für uns ist ganz klar, dass die Mitarbeiter weg können, wenn sie gerufen werden."

Karin Oster, Dach- und Holzbau, berichtet: "Das ist kein Problem, auch nicht, wenn sie morgens ausschlafen müssen nach einem nächtlichen Einsatz. Wir sind ja auch froh, wenn wir Leute in der Belegschaft haben, die sich mit Brandbekämpfung auskennen."

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