Wittlich trauert um Wilhelm Schrot: Ehrenbürger im Alter von 101 Jahren gestorben

Wittlich. · Er ist 101 Jahre alt geworden: Mit dem Tod von Wilhelm Schrot, genannt Willi, verliert die Stadt Wittlich mehr als einen ungewöhnlichen Zeitzeugen. Er war ein kluger Kopf, Mann der Tat und aufrechter Vollblutsäubrenner.

 Willi Schrot aus Wittlich wird anlässlich seines 100. Geburtstages in der Synagoge in Wittlich gefeiert. TV-Foto: Klaus Kimmling

Willi Schrot aus Wittlich wird anlässlich seines 100. Geburtstages in der Synagoge in Wittlich gefeiert. TV-Foto: Klaus Kimmling

Foto: Klaus Kimmling

Als Vater war er der "unsichtbare Kompass für die Familie": So hat ihn einer seiner sechs Söhne öffentlich beschrieben. Beim Empfang zum 100. Geburtstag, den die Stadt Wittlich ihrem Ehrenbürger Willi Schrot im vergangenen Jahr ausgerichtet hat. Ein schöner Gedanke. Und wenn jetzt dieser Wegweiser im Hintergrund auf Erden sozusagen die Anker gelichtet hat, kann er weiter wirken. Das ist wohl auch das Wesen eines Kompasses.

Am Samstag ist er daheim, in seinem großen Haus, auf dessen Jahrhunderte alte Geschichte als ehemaliger Himmeroder Hof er so stolz war, gestorben. Einen Willi Schrot kann man sich auch schwerlich in einem anonymen Krankenhauszimmer vorstellen. In seiner Wohnung voller Bilder, im schweren Eichenstuhl mit der mit Weinreben verzierten Lehne sitzend konnte er zur Zeitmaschine werden.

Sein unfassbar klares Gedächtnis, seine schöne Sprache und sein pointierter Erzählstil machten ihn zu einem Stadthistoriker der besonderen Art: Wer Fragen zu Wittlich hatte, bekam von ihm fundiert und kurzweilig Auskunft. Immerhin hatte er von seinem Zuhause immer den Kirchturm von St. Markus im Blick und wusste sowieso immer, was in der Stadt passierte. Wobei er sicherlich einiges auf seinem langjährigen Weg zum Dämmerschoppen im Casino erfahren hat. Das hat ihn wohl auch so lange fit gehalten. Auch ein wenig Sport: So hat er als "Linksfuß" schon mit Helmut Kohl in der Mainzer CDU-Landtagsmannschaft gekickt.

Ansonsten war sein Rezept zur Rüstigkeit: "Jeden Tag unter Dampf sein, also einmal schwitzen" und: "Jeden Tag mindestens eine halbe Flasche Wittlicher Wein, ab und zu auch mal einen Roten." Und neugierig auf die Menschen bleiben. Dabei scheint er generell ein besonderes Faible für das kleine Abenteuer gehabt zu haben, das so ein langes Leben immer bietet, wenn man mit ganzem Herzen dabei ist.

Wenn er von den Reitern aus Nordafrika erzählte, die auf ihren Araberpferdchen durch die Stadt preschten, vom legendären Bürgermeister Matthias Mehs, der ihm, dem Schlossermeister den Auftrag gab, einen überdimensionalen Weinpokal für die Säubrennerkirmes zu konstruieren, oder von der Dame, die in den heute längst verschwundenen Mühlenteich stürzte und ertrank, dem Grammofon als Weihnachtsgeschenk oder dem Besenbinder "Mäuschen", der noch mit dem Hundekarren über Land fuhr: Manches klang wie aus einem Märchenbuch, alles hat er erlebt und nicht vergessen.

Doch er war nicht nur ein kluger Beobachter sondern vor allem Mann der Tat: Als Schlossermeister sowieso aber auch als Politiker. Seine politische Heimat war die CDU: Ihr ist er 1947 beigetreten. Der noch im Kaiserreich zum Beginn des ersten Weltkriegs Geborene wirkte aktiv am Aufbau der Demokratie mit: Er war unter anderem CDU-Kreisvorsitzender, Kreisdeputierter und Landtagsabgeordneter. Abgehoben hat er nie. So erzählt ein Sohn: "Sein Traumwagen wäre ein Jaguar gewesen." Den hat er sich naturgemäß nie geleistet, aber eine Jaguar-Kühlerhaubenfigur, die jetzt noch auf einem Sockel in seinem Haus steht. Und seine Handwerkskunst, auch die bleibt: etwa eine seiner letzten Arbeiten, der große Leuchter in der Synagoge.

Und sein Handwerk blieb bis in die letzte Stunde bei ihm: Er hielt die von ihm einst erfundene Sprungdeckeldose der Ermin-Extra-Schuhcreme in der Hand, für die er die Konstruktionszeichnungen für die Patentschrift 1932 geliefert hat. Die Chemische Fabrik "Ermin" aus Wittlich gibt es längst nicht mehr: Die beiden jüdischen Besitzer wurden im Holocaust ermordet. Auch zu diesem schrecklichen Kapitel der Geschichte stand Willi Schrot als Zeitzeuge immer zur Verfügung. Privat hat er Schicksalsschläge hingenommen: Seine Frau und seine einzige Tochter sind vor ihm gestorben. Umso mehr hat er sich darüber gefreut, Opa und auch Urgroßvater einer großen Enkelschar zu sein, ein ganzer Schrot-Clan!

Ihm hat er einen guten Ruf vererbt: eine geradlinige, aufrechte Haltung, die er selbst vorgelebt hat und die seine eigenen Worte gut zusammenfassen: "Ein Schrot geht nicht hinter sein Wort." Vermutlich hat ihm das auch seinen klaren, wachen Blick auf die Welt erleichtert, er konnte sich wohl meist selbst in die Augen sehen: So sagte er im Gespräch mit dem TV: "Das Bedeutendste ist vielleicht, sich nach all den Jahren nicht mit Selbstvorwürfen quälen zu müssen, dass man etwas unterlassen oder falsch gemacht hat."

Das Sterbeamt ist am Freitag, 4. März, 15 Uhr in der Pfarrkirche St. Markus und anschließend Urnenbeisetzung auf dem Friedhof Burgstraße. Extra: Wilhelm (Willi) Schrot wurde am 12. Januar 1915 in Wittlich geboren. Der Schlossermeister trat 1947 in die CDU ein und wurde 1966 Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes Wittlich. Von 1953 bis 1979 war er Kreistagsmitglied und seit 1957 mit Unterbrechungen Vorsitzender der CDU-Fraktion. Dem Rheinland-Pfälzischen Landtag gehörte er von 1967 bis 1979 an.

1977 erhielt er das Bundesverdienstkreuz erster Klasse, 1973 bereits das Ehrenwappenzeichen des Landkreises Bernkastel-Wittlich und 1979 die "Große Ehrung" des Landkreises. 1985 ehrte ihn seine Heimatstadt mit der Goldenen Ehrenplakette der Stadt Wittlich, die ihn 2004 zum Ehrenbürger der Stadt Wittlich machte. sos

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