Immobilien Warum in Wittlich so wenig gebaut wird wie schon seit zehn Jahren nicht mehr
Wittlich · Die Zahl der Bauanträge erreichte 2022 ein 10-Jahres-Tief: Trotz Wohnungsmangel wird in Wittlich deutlich weniger gebaut als in der Vergangenheit. Ursachen dafür gibt es reichlich.
Ist die Luft beim Bauboom in der Kreisstadt Wittlich schon wieder raus? Aktuelle Zahlen, welche die Verwaltung zu den eingereichten Bauanträgen und Bauprojekten auf den Tisch gelegt hat, legen das nahe.
So viel wurde in den vergangenen Jahren in Wittlich gebaut
Nachdem 2013 und 2014 sowohl die Bauantragstätigkeit als auch die Anzahl der beantragten Wohneinheiten rückläufig war, konnte nach Angaben der Verwaltung von 2015 bis 2017 ein stetiger Anstieg in der Bautätigkeit verzeichnet werden. In den Jahren 2016 und 2018 lag die Bauantragstätigkeit bei jeweils 226 Anträgen und Anfragen. 2017 erreichten sowohl die Zahl der Anträge und Anfragen (231) als auch die Zahl der beantragten Wohneinheiten (235) ihren bisherigen Höchststand. 2019 und 2020 war sowohl die Zahl der eingereichten Bauanträge und -anfragen als auch die Zahl der beantragten Wohneinheiten rückläufig. Im Jahr 2021 wurde mit 226 eingereichten Bauanträgen und -Anfragen wieder der Stand aus den Jahren 2016 und 2018 erreicht. Die Zahl der beantragten Wohneinheiten erreichte 2021 mit 233 Einheiten fast wieder den Höchststand aus dem Jahr 2017.
Doch 2022 waren die Zahl der eingereichten Bauanträge und -anfragen als auch die Zahl der beantragten Wohneinheiten gegenüber dem Vorjahr stark rückläufig. Insgesamt erreichten die Verwaltung nur 180 Bauanträge und -anfragen. Damit fiel das Interesse an Bautätigkeiten auf ein Level vor 2013 zurück und erreichte ein Zehn-Jahres-Tief. Besonders drastisch fiel das Interesse am Bau von Wohnraum. 2022 zählte die Verwaltung dazu nur 36 Bauanträge und Anfragen für konkret 89 Wohneinheiten. Zum Vergleich zu 2021 (74) hat sich die Zahl der Bauanfragen damit beinahe halbiert. Die zahl der geplanten Wohneinheiten fiel von 233 (2021) auf 89 (2022) um 61 Prozent.
Die Gründe: Warum wird in Wittlich weniger gebaut?
Welche Erklärung hat die Stadt Wittlich für diesen drastischen Rückgang? Die Verwaltung nennt den „anhaltenden Krieg in der Ukraine, die Probleme bei Materiallieferungen, steigende Zinsen sowie die Verteuerung der Baukosten auf die Baukonjunktur in ganz Deutschland haben“. In der Gesamtbetrachtung werde nicht mit einer Steigerung der Bauanträge und -anfragen gerechnet.
Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch Bauunternehmer und Bauingenieur Harald Schmitz aus Großlittgen als Obermeister der Baugewerbe-Innung im Landkreis Bernkastel-Wittlich. Schmitz nennt mehrere Gründe für den Rückgang: „Ein Grund davon sind die hohen Baukosten, die sich seit 2020 um den Faktor 1,5 verteuert haben.“ In den Preissteigerungen würden sich beispielsweise gestiegene Tariflöhne sowie Einmalzahlungen der Unternehmer wie Corona- und Inflationsausgleich niederschlagen. Daneben sei die Energiekrise mit gestiegenen Öl-, Gas- und Stromkosten ein Preistreiber. „Die Materialpreise haben sich beinahe verdoppelt. Und kostete ein Lastwagen 2018 noch 125.000 Euro, sind es jetzt 175.000 Euro. All diese Kosten müssen umgelegt werden.“
Ein weiterer Grund für den Rückgang der Bauanträge seien die Bauzinsen. „Von unter einem Prozent Zinsen für ein Baudarlehen sind wir jetzt bei 3,5 bis vier Prozent. Dabei bekommen gut betuchte Leute das Darlehen auch noch günstiger, weil für die Bank die Unsicherheit geringer ist“, erklärt der Obermeister der Innung. „Hinzu kommt die Mentalität der jungen Leute, die trotz Bauprojekt in Urlaub fahren möchten. Früher hatte man vor Baubeginn meist ein Drittel der Summe gespart und daneben verzichtet. Heute wird meist alles finanziert und gelebt.“ Bei steigenden Baukosten werde diese Mentalität jedoch zunehmend zum Problem, meint Schmitz.
Für die Baubranche werde die Lage aufgrund der genannten Faktoren schwieriger: „Von der Auftragslage her machen wir derzeit viel Kleinkram. Mit Großprojekten tun sich die Entscheidungsträger derzeit oftmals schwer. Aber wir werden trotzdem nicht arbeitslos.“ Betriebe, die breiter aufgestellt seien, ginge es derzeit besser als 08/15-Unternehmen, „die nur mauern und Hochbau machen“, sagt Obermeister Harald Schmitz zur aktuellen Lage im Baugewerbe.