Wittlicher Schulleiter verlässt den Berg

Wittlich · Wittlich Wie teilt man eine Schule über Nacht? Michael Forster hat es hinter sich. Irgendwie hat es geklappt, als damals die Hiobsbotschaft kam.

 Michael Forster freut sich auf den Ruhestand. TV-Foto: Klaus Kimmling

Michael Forster freut sich auf den Ruhestand. TV-Foto: Klaus Kimmling

Foto: klaus kimmling (m_wil )

Teile des Peter-Wust-Gymnasiums (PWG), "auf dem Berg" hoch über Wittlich, mussten geräumt werden. Die Statik der Decken im Nebengebäude entsprach nicht den Schulbaurichtlinien. 550 von 950 Gymnasiasten sollten auf einen Schlag in die ehemalige DOS-Schule in Wengerohr umziehen. Das war 2009.
Schulleiter Michael Forster sagt rückblickend: "Das war wirklich eine Belastung. Es gab ja kein Modell in Deutschland. Einfach eine halbe Mannschaft oben, die andere in Wengerohr, so einfach war das nicht. Und das geht nur als Teamleistung mit Eltern, Schülern, Lehrern."
Die fünften bis neunten Klassen des PWG waren vier Jahre sozusagen ausgelagert, die Lehrer pendelten hin und her. Eine Erfahrung, auf die der Schulleiter, der jetzt in den Ruhestand geht, wie alle Betroffenen, sicher gern verzichtet hätte. Verbunden war damit auch eine Riesenbaustelle. "Acht Millionen Euro wurden in meiner Zeit investiert", sagt Forster, der mit noch mehr Unwägbarkeiten zu kämpfen hatte. Gleich zwei massive Wasserschäden gab es auf dem Berg. Der zweite vermutlich ein Sabotageakt. Der oder die Täter konnten bis heute nicht ermittelt werden.
Aber Krisenmanagement gehört sozusagen heutzutage sowieso zum Schulalltag. "Begonnen hat das mit dem ersten großen Amoklauf.
Damals hatte unser Schulpsychologe die Idee, dass man pro Schule ein Krisenteam bildet und man sich alle zwei Monate trifft. Dazu laden wir jemanden ein, etwa einen Vertreter der Bereitschaftspolizei, Notfallseelsorger, jemand von der Jugendstrafanstalt", sagt Michael Forster. Er ist überzeugt, dass auch das am Gymnasium wichtig ist.
"Ich habe gelernt, was Krisen sind. Wann man schnell handeln muss und wie wichtig zum Beispiel Trauerarbeit ist." Er war am PWG früh mit entsprechenden Situationen konfrontiert, nicht nur mit verdächtigen Kritzelleien auf der Schulbank: "Ich war 14 Tage im Dienst. Da musste ich mitteilen, dass ein junger Kollege mit dem Motorrad tödlich verunglückt ist. Als ich das sagte, fiel mir ein anderer Kollege um."
Unvorhersehbare Belastungen gehören für den langjährigen Schulleiter, der 1981 als Referendar begann und vor Wittlich Deutsch und Französisch am Angela-Merici-Gymnasium, einer Privatschule nur für Mädchen in Trier, unterrichtete, dazu. Umso wichtiger seien gute Kooperation, gutes Netzwerken und: "Es lohnt sich, sich zu engagieren. Das kriegt man zurück. Erziehung ist immer noch möglich. Man muss sich nur einbringen und klare Linien, Leitplanken zeigen."
Und das in einer für seine Generation nicht selbstverständlichen Lebenswirklichkeit der Schüler. Er diagnostiziert einen stärkeren sozialen Druck, aber auch ein neues Lernmanagement, denn: "Fast kein Schüler in der Oberstufe ist ohne Job. Und nach dem Abitur machen mehr Schüler ein freiwilliges Soziales Jahr oder gehen ins Ausland, seit es keine Wehrpflicht und keinen Sozialdienst mehr gibt."
Der geforderte gute Übergang von Schule zur Wirtschaft sei nicht so einfach und: "Es gibt immer noch eine viel zu hohe Zahl, die im ersten, zweiten Semester wechselt."
Er denkt laut nach: "Vielleicht gibt es für die Schüler zu wenig Rückmeldung, was sie etwa außer Deutsch und Mathe gut können. Etwa wie: gut mit Menschen umgehen. Um den Lebensalltag zu managen, dafür haben wir kein Fach." Was rät er denen, die in seinen Beruf wollen? "Gar nicht strategisch überlegen. Es ist ein toller Beruf." Und er lächelt: "Man muss es aushalten, dass die anderen gleich jung bleiben und man selbst immer älter wird. Und dass man sein Leben lang Zeit mit seinen Fächern zubringt. Aber wenn man gerne mit Jugendlichen zusammenarbeitet, dann soll man sich nicht abschrecken lassen. Ich würde sagen: ,Ja. Mach' es.'"
Was macht er selbst im Ruhestand? Mal außerhalb der Ferien reisen vielleicht, aber in erster Linie: "Wieder was tun. Meinen Interessen, Musik, Design, Architektur nachgehen, die nicht nur mit Urlaub zu tun haben." Er denkt klar auch an mögliche Schwierigkeiten in seiner Zukunft ohne Beruf, auch wenn er noch nicht ganz weiß, was auf ihn zukommt: "Die Frage ist, ob ich runterschalten kann." Er wolle auf jeden Fall Italienisch lernen und naturgemäß "gesund bleiben". Eins, das vermutet er, wird ihm neben Schülern und Kollegen fehlen: "Die soziale Anerkennung, wenn man etwas gut gemacht hat. Ich weiß, die ist mir wichtig."
Einen Beweis, dass er es gut gemacht hat, gibt es. Michael Forster gilt als "begeisterter Hallo-Sager". Es dauere maximal zwei Jahre, dann würden alle Schüler zurückgrüßen. Bei aktuell 900 Schülern ist das eine ganze Menge Zuspruch.
Die offizielle Verabschiedung von Schulleiter Oberstudienrat Michael Forster ist am kommenden Montag, 26. Juni. Seine Nachfolgerin ist Monika Metzen-Mirz vom Stefan-Andres-Gymnasium Schweich, dem Moselort, wo auch Forster lebt: "Manchmal habe ich es schon genossen, über den Berg nach Hause zu fahren, und dann habe ich Distanz."

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