Wo Liselotte Pulver und Heino Gäste waren

Odert · Zahlreiche Gasthäuser entlang der Hunsrückhöhenstraße haben in den vergangenen Jahren schließen müssen. In Kürze wird das ehemalige Lokal Oderter Haus wegen des bevorstehenden Ausbaus der B 327 abgerissen.

 Doris Stein (Mitte), die bis April noch im Oderter Haus gewohnt hat, zeigt auf das ehemalige Lokal. Ihre Schwester Petra Braun (rechts) und deren Tochter Alexandra Rößler haben ebenfalls einen großen Teil ihres Lebens in dem Gasthaus verbracht. TV-Foto: Christoph Strouvelle

Doris Stein (Mitte), die bis April noch im Oderter Haus gewohnt hat, zeigt auf das ehemalige Lokal. Ihre Schwester Petra Braun (rechts) und deren Tochter Alexandra Rößler haben ebenfalls einen großen Teil ihres Lebens in dem Gasthaus verbracht. TV-Foto: Christoph Strouvelle

Odert. Bald ist ein Traditionslokal endgültig verschwunden: Das ehemalige Gasthaus Oderter Haus an der Hunsrückhöhenstraße soll noch in diesem Jahr abgerissen werden. Der Landesbetrieb Mobilität hat das Anwesen gekauft, weil die Behörde die Fläche für den dreispurigen Ausbau der B 327 zwischen Odert und der Abzweigung B 269 in Richtung Birkenfeld benötigt. (Der TV berichtete.)
Mit Wehmut blicken Doris Stein und Ute Braun auf das Gasthaus, das ihre Großeltern ab 1938 aufgebaut und ihre Eltern weitergeführt haben. "Wir haben hier unsere gesamte Kindheit verbracht", sagen die 58 Jahre alten Zwillingsschwestern unisono. Braun war nach ihrer Hochzeit nach Morbach gezogen und ist mit Tochter Alexandra im Schlepptau nahezu täglich in das Oderter Haus gefahren, um ihren Eltern zu helfen. Stein hat noch bis April 2013 zusammen mit ihrer Mutter in dem 155 Jahre alten Gebäude gewohnt.Ursprünglich ein Bauernhaus


Ursprünglich war das Anwesen ein Bauernhaus gewesen. Beim Bau der Hunsrückhöhenstraße hatten die Großeltern Getränke an die Arbeiter verkauft. "Das waren die Anfänge gewesen", sagt Stein. 1954 bauten die Eltern die erste Tankstelle an der Hunsrückhöhenstraße im Bereich Morbach. "Die anderen kamen erst später", sagt Stein. Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre verschwanden bei zwei Umbauten die Ställe und die Scheune. Stattdessen entstanden eine Gaststube, eine Terrasse und Fremdenzimmer mit insgesamt 23 Betten, in denen meist Fernfahrer und Vertreter übernachtet haben. Diese waren für damalige Verhältnisse mit fließend kaltem und warmem Wasser sowie einem Etagenbad luxuriös ausgestattet. Bekannte Größen aus Radio und Fernsehen, die auf dem Weg zu Radio Luxemburg waren, aßen und übernachteten im Oderter Haus. "Dietmar Schönherr, die Jakob Sisters, Billy Mo, Rainer Holbe, Uwe Seeler, Heino und weitere Stars waren hier", sagt Stein. So mancher Bewohner sei aus den umliegenden Orten mit dem Motorrad angefahren, um einen Blick auf die populären Gäste zu werfen. Den Teller, von dem Liselotte Pulver gegessen hat, hat Stein als Kind gar ungespült im Schrank versteckt.
Im Oderter Haus wurde auch die Kirmes des Dorfes gefeiert. Ein Tanzboden wurde dazu ausgelegt und Biertische aufgebaut. "Viele kamen damals mit Mofas und Motorrädern zur Kirmes gefahren. Die Bar, die meine Eltern im Keller gemauert haben, steht heute noch", sagt Stein. So manches Paar sei sich im Oderter Haus erstmals näher gekommen, berichten die beiden Schwestern. Insgesamt seien es goldene Zeiten gewesen. Doch schleichend gingen ab Ende der 80er Jahre die Geschäfte zurück. Vertreter und Fernfahrer seien immer mehr unter Druck geraten und hätten seltener angehalten. Holländer, die das Oderter Haus als Urlaubsdomizil genutzt hatten, seien in Ferienhäuser ausgewichen. Die Tankstelle bauten die Steins 1992 ab, weil mit dem Spritverkauf kein Geld mehr zu verdienen war. Zudem hätten es die Eltern versäumt, erneut zu investieren und das Gasthaus auf einen modernen Stand zu bringen.
2002 kamen bei den Familienmitgliedern Krankheiten hinzu. Am 4. März 2002 schlossen Doris Stein und ihre Mutter das Gasthaus. Insgesamt sei dies das Los vieler langjähriger Gastronomiebetriebe entlang der Hunsrückhöhenstraße. Stein: "Zur Post in Büdlicherbrück, die Barriere in Immert, Schweigerer bei Morbach, alle mussten sie irgendwann aufhören."Extra

Vor dem Bau der Hunsrückhöhenstraße führte bereits die preußische Provinzialstraße Saarlouis-Bernkastel am Oderter Haus vorbei. Vermutlich war dort ähnlich wie beim Immerter Gasthaus Barriere eine Zollstation gewesen, an der die Reisenden Chausseegeld bezahlen mussten. Dieses wurde zur preußischen Zeit an vielen Orten erhoben und zum Unterhalt der Straßen verwendet. Steins Mutter wusste noch von einem Barrierebaum zu berichten, der aber heute verschollen ist. (Quelle: Die Hott) cst

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