Wo Maria und Josef Unterschlupf finden

Eine Tradition ist für Wiltrud Jürries (87) aus Traben-Trarbach der jährliche Aufbau ihrer großen Weihnachtskrippe im Wohnzimmer. Ihr Großvater, der Architekt und Bauunternehmer Mathias Engel, baute einst die Grotte für das Christkind und schaffte vor 120 Jahren erste Figuren an.

 Diese Krippe erfüllt Wiltrud Jürries mit Stolz. Ihr Großvater Mathias Engel hat sie im 19. Jahrhundert gebaut. TV-Foto: Gerda Knorrn-Belitz

Diese Krippe erfüllt Wiltrud Jürries mit Stolz. Ihr Großvater Mathias Engel hat sie im 19. Jahrhundert gebaut. TV-Foto: Gerda Knorrn-Belitz

Traben-Trarbach. (GKL) 15 Stunden Arbeit liegen hinter der munteren Seniorin, der man das hohe Alter nicht ansieht. Mit viel Liebe hat Wiltrud Jürries wieder in ihrer Wohnstube die große Krippe aufgebaut und eine Lichterkette darum gelegt. Das Fenster dahinter ziert eine duftige Sternengardine, "die hängt erstmalig, den Stoff habe ich selbst gesäumt", berichtet sie erfreut. Die Kieselsteine in der Krippenlandschaft stammen vom Moselufer, das Moos hat sie in den Weinbergen gesammelt und getrocknet. Aus Gips und Stoff gestaltete ihr Großvater Mathias Engel 1886 die große Grotte, in der Maria, Josef und das Christkind sowie die Heiligen Drei Könige, Ochs, Esel und Kuh Unterschlupf gefunden haben. Der 1854 in Traben-Trarbach geborene Architekt und Bauunternehmer Engel errichtete in der Stadt zahlreiche Gebäude, so das Postamt und das Jugendstil-Hotel Bellevue. Auch auf den Weltausstellungen in Brüssel 1888 und Antwerpen 1894 machte er auf sich aufmerksam; in Antwerpen präsentierte er eine von ihm gebaute Moselburg. Für seine Familie schuf er die große Weihnachtskrippe; Wiltrud Jürries vermutet, dass er auf einer der Weltausstellungen von dem in arabischen Ländern üblichen Wohnhöhlen-System gehört hat, und dass Gäste dort keineswegs in einem Stall untergebracht worden wären. Vielleicht habe den Großvater dies dazu inspiriert, der Heiligen Familie eine eher kuschelig wirkende Höhle zu bauen. Darin integriert ist die Halterung für den Baum.Aufbau ist mühevolle Kleinarbeit

Im Laufe der Jahrzehnte kamen mehr Figuren hinzu. Für die vitale Seniorin gehört es zur Weihnachtszeit, dass die alte Krippe ihren Ehrenplatz im Wohnzimmer bekommt. Pünktlich zum ersten Advent steht sie da, und das vom Großvater geerbte architektonische Geschick kommt ihr beim mühevollen Aufbau zugute. Anschließend dürfen die Nachbarn kommen und schauen. Wiltrud Jürries, die nach dem Abitur in der Speditionsbranche tätig war, Lastwagen abgefertigt hat und "Mädchen für alles war", freut sich bis nach dem Dreikönigstag an der Familien-Krippe. "Wenn ich es schaffe, baue ich sie im nächsten Jahr wieder auf."

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