Wohnzimmerjazz in gutem Hause

Wittlich. · Arbeiten des Künstlers Tony Munzlinger hängen seit August in der Casa Tony M. im ehemaligen „Freckmann-Haus“. Das frühere Wohnzimmer taugt dabei nicht nur als Ausstellungsraum. Die Stiftung Stadt Wittlich hat erstmals dort zu einem Konzertabend geladen. Zum Auftakt spielte das Thomas Bracht Trio.

Würde man das Fenster öffnen, blickte man weit in Wittlichs Abendhimmel über den Marktplatz hinweg bis zum Pichterberg. Darüber ein paar Sterne. Doch die feinen Vorhänge sind zugezogen. Dahinter sitzen Herrschaften, dicht an dicht und hören von Sternen, statt sie zu sehen. Pianist Thomas Bracht hat ein Lied dazu geschrieben. "Stella by Starlight", es seiner kleinen Tochter gewidmet.

Leichte, hohe, klare Töne schickt er vereinzelt in den Raum. Sie klingen weich auf, dann sinken tiefere Töne in den Raum. Da breiten sie sich aus und spielen federnd weiter - mit Bass und Schlagzeug.

Was der vierjährigen Tochter gewidmet ist, mag auch das teils ergraute Publikum. Alles ganz entspannt.

Jürgen Kochler umgreift seinen Kontrabass. Ihm zur Seite sitzen der Komponist und Mann, der dem Trio seinen Namen gibt und Thomas Schöfer am Schlagzeug. Drei routinierte Musiker, die Standards aus dem Ärmel schütteln können. Doch dann wäre alles seelenlos. Mensch-Maschinen-Musiker sind sie nicht.

Die drei, die vor dem ersten Ton den Damen und Herren auf den Stühlen ein "Das kann ja heiter werden" entgegen rufen, eröffnen den Abend mit einem leicht fliegenden Blues. "Oh wie schön", ruft eine Frau, die Füße wippen.

"Wir werden uns auf alte Klassiker aus Jazz, Blues, Bebop konzentrieren", sagt Thomas Bracht. Miles Davis, Charlie Parker, Dizzy Gillespie. Alle tot. Alle unsterblich durch ihre Musik.

Das Trio nimmt die Klassiker nicht komplett auseinander. Es bietet eher eine Hommage. Immer noch schön entspannt, ja teils heiter. Nicht beunruhigend, anstrengend, sezierend, wie Jazz auch sein kann. Der Kopf kann ruhig mal abschalten.

Eine Hommage an all die Großen der Jazzgeschichte gibt es auch in vielen der Arbeiten von Tony Munzlinger. Am bekanntesten ist die Serie "Jazz for Cats only". Einige der Mappen liegen wenige Schritte von den Musikern entfernt auf einem Tisch. Grandiose Interpretationen in schwarz-weiß. Der sehnige, außerirdische Miles, der uhrwerkgleiche Rhythmiker Kenny Clark. Oder Duke Ellington. "Die coolste Arbeit finde ich ist, die die er von Duke Ellington gemacht hat", sagt der Trio-Chef, bevor er die nächste Nummer ankündigt: "Zeit für eine Ballade. In a sentimental mood."

Jetzt lässt das Trio die Töne schwer fallen, ausklingen. So elegant klingt Traurigkeit. Pathos gibt es nicht. Das Publikum ist kurz in einer Art Wachkoma, so entrückt schaut mancher sekundenlang. Ein bisschen Gänsehaut, durchatmen. Ein bisschen wehmütige Melancholie, als Idee einer Melodie, als Zusammenspiel. Die Musiker, die sich nur selten Blicke zu werfen, so sicher sind sie sich untereinander, schwingen zusammen, lächeln. Es wird wieder Nacht: "A Night in Tunisia".

Ganz wach präsentieren die drei dann "Footprints", und sie verabschieden sich sozusagen beschleunigt, jagen durch "Straight no Chaser" von Thelonius Monk. Applaus, Applaus aus allen reihen. Ist der Abend schon vorbei?

Hinter dem sitzenden Publikum hat Jazzsängerin Theresia Zils stehend zugehört. Sie wird im "Wohnzimmer" singen: Am Donnerstag, 8. Dezember, 19 Uhr, treten Theresia Zils & Momo Rippinger Trio in der neuen reihe "Casa hautnah" auf.

Simone Röhr, Geschäftsführerin der Stiftung Stadt Wittlich, die die Schenkung der Arbeiten Tony Munzlingers und damit das Museum betreut, hat vor der gelungenen Premiere erklärt: "Die Idee haben wir mit Tony in Italien kreiert. Der Tony ist ja jemand, der wünscht sich Leben in der Bude. Daraus kam die Idee zu ,Casa hautnah'. Also hier in den Räumen Veranstaltungen anzubieten. Wir beginnen mit Jazz, den der ist Tony ja sehr wichtig. Es sollen Nischenveranstaltungen sein." Es sei auch an Tanz, kleine Theateraufführungen gedacht. Und sie kündigt an: "Zum nächsten verkaufsoffenen Sonntag in Wittlich werden wir grafische Schätze, die wir im Archiv haben, zum Verkauf anbieten."

Und für Jazzfans soll es was zu sehen geben: Für das kommende Jahr wird eine Jazzausstellung angekündigt.

Wer das Thomas Bracht Trio wiederhören will: Die Gruppe tritt in der Reihe "Wittlicher Bühne" des Jazzclubs am Montag, 26.

Dezember, 20 Uhr, im Casino, Friedrichstraße auf.

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