"Wuppei fu - Baachschisser du!"

Bernkastel-Kues · Bis ins Jahr 1914 wurde am Karnevalssamstag in Bernkastel-Kues eine jährliche Tradition gepflegt, bei der ein gruseliger Geisterzug mit elf närrischen Gespenstern die Straßen und Gassen der Moselstadt unsicher machte. Nach dem Umzug erholten sich die gruseligen "Foasgecken" in ihrem Stammlokal bei Wein und Bier vom Geisterspuk.

Bernkastel-Kues. Bis kurz vor dem Ersten Weltkrieg frönte man in Bernkastel-Kues jährlich einem traditionellen Karnevalsbrauch, bei dem närrische "Foasgecken" am Abend des Karnevalssamstag als Geister verkleidet durch die Altstadt zogen. Diese hatten sich mit weißen Bettlaken vermummt und dazu bemalte Nachttöpfe oder witzige Perücken aufgesetzt.Stadt geschichte(n)


Der sogenannte Geisterzug setzte sich aus elf Geistern zusammen, die von drei Obergeistern angeführt wurden. Die Statuten sahen außerdem elf Junggeister vor, die in die Geheimnisse der Alten eingeweiht wurden, um die Tradition aufrechtzuerhalten. In den letzten Jahren kam der Anführer des Zuges sogar auf einem schwarz eingekleideten Pferd geritten.

Der Ausgangspunkt des Geisterzuges befand sich an der Einmündung des Tiefenbaches in die Mosel, wo sich die Obergeister in respekteinflößender Pose aufstellten und auf die Ankunft der übrigen "Höllenbewohner" warteten. Diese wurden mit einem fürchterlichen Grunzen und Gejaule empfangen, worauf die Geister mit einem ohrenbetäubenden Geblöke antworteten. Dann startete der Zug. In gleichmäßigen Abständen spielten die Zugteilnehmer auf ihren Instrumenten bizarre Geistermusik und zogen dabei im Gänsemarsch durch die dicht von Menschen umsäumten Straßen und Gassen der Altstadt. Nach dem Umzug besuchten die karnevalistischen "Geister" ihr Stammlokal und erholten sich bei Bockbier und Wein vom gespenstigen Mummenschanz.
Am Morgen des Aschermittwochs versammelte sich die Schar erneut, um den Karneval zu begraben und leere Geldbörsen zu verbrennen. Schließlich wurde die Zeremonie mit einem kräftigen "Wuppei fu - Baachschisser du!" beendet.
Der Bernkasteler Geisterzug wurde erstmals vor der Wende zum 20. Jahrhundert veranstaltet. Das Kölner Pendant (siehe Extra) wurde bereits um 1860 ins Leben gerufen. Als man im Jahre 1950 den Geisterzug in Bernkastel-Kues wieder aufleben lassen wollte, erinnerte sich ein früheres Mitglied mit Begeisterung an den originellen Fastnachtsbrauch: "Wenn ich an den ohrenbetäubenden Lärm der Libellen, Trommeln, Hörner, Topfdeckel und der dicken Bumbastrommel denke, geht mir das Herz auf wie eine Dampfnudel. Leider versagen es mir meine körperlichen Kräfte, an dem Geisterzug noch teilzunehmen, aber meiner Hilfe, meines Rates und auch meiner finanziellen Unterstützung könnt Ihr gewiss sein, wenn es Euch gelingt, die "bösen Geister" wieder auf die Beine zu bringen." In der heutigen Zeit werden in Bernkastel keine Geisterzüge mehr veranstaltet.Extra

Der Kölner Geisterzug ist ein alternativer Karnevalszug, der im Sinne einer politischen Demonstration jährlich am Abend des Karnevalssamstags stattfindet. Seit 1860 veranstaltete man im Kölner Karneval Geisterzüge, bis diese im Ersten Weltkrieg verboten wurden. Als der Kölner Rosenmontagszug im Jahre 1991 aufgrund des Golfkriegs ausfiel, sollte auf der Route des Rosenmontagszugs eine Anti-Golfkriegs-Demonstration stattfinden. Schließlich zogen Antikriegs-Demonstranten und Karnevalisten gemeinsam durch die Kölner Innenstadt. Angeregt durch diesen Erfolg fand am Karnevalssamstag des folgenden Jahres ein zweiter Geisterzug statt, der von nun an regelmäßig wiederholt wurde. Der Weg des Zuges wechselt jährlich, ebenso wie das auf politische Ereignisse bezogene Motto der Veranstaltung. phi

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