Zarte Schläge auf die Glocken

TRABEN-TRARBACH. Dem lieben Gott kommt Bruder Michael stets ein Stückchen näher. Er lebt und arbeitet im Kloster Maria Laach und steigt als Glockensachverständiger des Bistums Trier hinauf in die Kirchtürme. Jetzt ermittelte er die Schlagtöne der katholischen St. Nikolaus-Kirche, damit es Einklang gibt zwischen den Kirchenglocken und dem Geläut, das am Alten Stadtturm installiert werden soll.

 Bruder Michael, Glockensachverständiger im Bistum Trier, muss die Ohren spitzen. Mit einem Hämmerchen und einer Stimmgabel ermittelt er hoch oben im Kirchturm der katholischen St. Nikolaus-Kirche die Schlagtöne der vier Stahlglocken.Foto: Gerda Knorrn-Belitz

Bruder Michael, Glockensachverständiger im Bistum Trier, muss die Ohren spitzen. Mit einem Hämmerchen und einer Stimmgabel ermittelt er hoch oben im Kirchturm der katholischen St. Nikolaus-Kirche die Schlagtöne der vier Stahlglocken.Foto: Gerda Knorrn-Belitz

Georg Bauer hat das "Glockenfieber" voll gepackt. Der zweite Vorsitzende des Bürgervereins "Traben-Trarbach aktiv" (TTA) engagiert sich begeistert für das Glockenspiel am Alten Stadtturm. "Ich musste mich da auch erst reindenken", sagt der junge Hotelkaufmann, der inzwischen ein richtiger Experte geworden ist. 24 Glocken sollen im nächsten Jahr, wenn die Doppelstadt Traben-Trarbach 100 Jahre alt wird, am Alten Stadtturm erklingen. Der Preis dafür ist stattlich - 33 000 Euro - doch TTA ist rührig. 20 800 Euro hat der Verein bisher gesammelt und die ersten 16 Glocken werden demnächst in der Karlsruher Glockengießerei Bachert gegossen. Da hin und wieder zum Geläut am Alten Stadtturm auch die Glocken der St. Nikolaus-Kirche einsetzen sollen, müssen die Töne fein aufeinander abgestimmt sein, um Missklänge zu vermeiden.Tief durchatmen und nur nicht nach unten schauen

Und da kommt Bruder Michael ins Spiel. Er ist Schreinermeister, und den Geistlichen sieht man dem jungen Mann in Jeans und rotem Feincordhemd nicht an. Im "Beratungsausschuss für das Deutsche Glockenwesen" wurde er zum Glockensachverständigen ausgebildet, er hat Humor und ist ein routinierter Aufsteiger in Schwindel erregend hohe Kirchtürme. "Ich wende die Drei-Punkt-Technik an", lacht er: "zwei Füße und eine Hand". Bevor es die mehr als 80 Holzstufen in den Turm der St. Nikolaus-Kirche hinaufgeht, schlüpft er rasch in seinen Overall aus Kunststoff, denn die Erfahrung hat ihn gelehrt, dass sein Arbeitsplatz meist sehr staubig ist.Wieselflink eilt er über die vielen Stufen den vier Stahlglocken entgegen, und Georg Bauer folgt ihm unerschrocken auf den Fersen. Einzig Kirchturm-Erstbesteiger kriegen da das Schaudern, denn mit zunehmender Höhe tun sich auch wahre Abgründe auf. Staubig ist es wirklich hoch oben im Glockenstuhl, durch den ein leiser Wind weht. Tief durchatmen und nur nicht nach unten schauen. Der Blick ist fest auf die stolzen Stahlglocken gerichtet, die paarweise übereinander hängen und deren Älteste im Jahr 1922 gegossen wurde. Die übrigen entstanden nach 1951. Bruder Michael holt aus der Werkzeugtasche seine in Halbtonschritte skalierte Stimmgabel, die in weitere Sechzehntel unterteilt ist. Mit einem Hämmerchen schlägt er zart die erste Glocke an und sucht sich auf der Stimmgabel den Vergleichston. Langsam tastet er sich heran, immer wieder haut das Hämmerchen die Glocke, der Sachverständige spitzt die Ohren und notiert sich die ermittelten Töne. So kriegen alle vier Stahlglocken ihre Schläge ab, und Georg Bauer wird das Ergebnis der Analyse der Karlsruher Glockengießerei mitteilen, damit das Geläut am Alten Stadtturm entsprechend gegossen werden kann.Hurtig geht es auch schon wieder hinab, Bruder Michael entledigt sich der Schutzkleidung und freut sich über zwei Flaschen Moselwein mit TTA-Etikett, die ihm Georg Bauer als Dankeschön überreicht. Anschließend vertiefen sich die beiden Glockenexperten ins Fachgespräch über Töne und Halbtöne, und Bruder Michael schwärmt von Bronzeglocken, deren Ausdruckskraft eine Stahlglocke nicht erreichen könne. Viel Interessantes weiß der junge Fachmann zu berichten, doch die Zeit drängt, ein weiterer Auftrag erwartet ihn im Hunsrück. "Glocken sind etwas Gefährliches", sagt er schmunzelnd beim Abschied, "wenn sie einen mal gepackt haben, dann lassen sie einen nicht mehr los."

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