Zaun weg, Wanderweg her

ERBESKOPF. Vor 15 Jahren feierte Deutschland seine Wiedervereinigung. Eine späte Auswirkung hat das historische Ereignis auf den Erbeskopf. Ein 5,6 Hektar großes Areal, auf dem früher US- und Nato-Streitkräfte stationiert waren, steht seit langem leer. Über das Gelände führt künftig der Erbeskopf-Steig.

"Für mich ist es ein bewegender Moment", sagt Forstamtsdirektor Hans-Jürgen Wagner auf dem hölzernen Erbeskopfturm, als er in Richtung Hunsrückhaus den Skipisten-Hang herabblickt. Was er dort sieht, berührt ihn wohl weniger, als das, was er nicht sieht: Der Zaun, der jahrzehntelang ein Areal von rund 5,6 Hektar Größe vor neugierigen Besuchern schützte, ist weg. Seit 1985 sei er in Dhronecken, und noch nie habe er von dort einen freien Blick herunter zum Hunsrückhaus gehabt, erzählt Wagner. Auf dem Erbeskopf-Plateau befand sich früher nicht weit vom derzeitigen Bundeswehrstandort, auf dem die beiden Radome stehen, ein weiterer Militärstützpunkt. Er gehörte zu einer US-Army-Einheit, die die Raketenverbände in der Großregion führte. Später betrieb die Nato am Erbeskopf eine wichtige Richtfunkstation, mit der das Bündnis Verbindungen zu den Hauptquartieren in Europa und den USA herstellte. So zumindest erinnert sich der ehemalige Oberstabsfeldwebel Manfred Nieland, der Dienst im Bunker Erwin in Börfink leistete. Nur der vollautomatische Richtfunkturm, der von der Nato noch genutzt wird, erinnert an diese Vergangenheit. "Es war nicht irgendein Zaun, er war mit dickem Stacheldraht versehen", machte Klaus Hepp von der Urlaubsregion Thalfang am Erbeskopf deutlich. Die Situation auf dem Plateau war ihm stets ein Dorn im Auge, engte der Zaun doch den Skihang noch in der vergangenen Saison ein. Die Piste endete mitten im Hang. Einer der Skilifte ragte sogar ein Stück weit in das militärische Sperrgebiet hinein. "Das einzige Zugeständnis, das die Amerikaner hier gemacht hatten", so Hepp weiter. Der Zaun muss - so genau weiß das niemand mehr - nach der Sprengung des Kaiser-Wilhelm-Turmes errichtet worden sein. Und dass er heute weg ist, verdanken Touristen und Einheimische der deutschen Wiedervereinigung. Mit der vollen Souveränität erhielt die Bundesrepublik auch die volle Lufthoheit zurück. Der Nato-Stützpunkt am Erbeskopf verlor seine Bedeutung. Die Gebäude wurden abgerissen, lediglich die Fundamente und der 800 Meter lange Zaun blieben. Auch Altlasten waren im Boden, "aber weniger, als wir vermutet hatten", erklärte Wagner, der in der Zwischenzeit für die ehemalige Liegenschaft zuständig ist. Denn auf dem Papier sei die Fläche heute wieder Wald. Halbjährlich würden Probebohrungen durchgeführt. Heute gebe es keinen Grund, die Fläche auf dem Erbeskopf-Plateau der Bevölkerung vorzuenthalten. Und deshalb entschied Wagner: "Der Zaun kommt weg." Gemeinsam mit dem Verbandsgemeinde-Bürgermeister Hans-Dieter Dellwo suchte man nach einer sinnvollen und kostengünstigen Lösung: Beim Trierer Stahlwerk stieß man auf offene Ohren. Das Unternehmen erklärte sich bereit, den Zaun kostenlos zu entfernen und das Material weiterzuverarbeiten. Die Fläche soll übrigens komplett renaturiert werden. Doch es bleibt nicht allein bei der freien Sichtachse Hunsrückhaus-Erbeskopf-Plateau. Endlich kann man nicht nur hoch- oder herunterschauen.Info-Tafeln und zusätzliche Sitzgruppen

Denn derzeit wird der Gipfelsteig Erbeskopf gebaut. Anders als der Begriff "Steig" es möglicherweise nahe legt, sollen nicht nur sportliche Wanderer den Erbeskopf erklimmen können. Deshalb werde der Weg in Serpentinen geführt, betonte auch Michael Suska von der Thalfanger Verwaltung. Beim Wanderweg allein soll es nicht bleiben: "Die neue Situation ermöglicht ganz neue Perspektiven für Sommer und Winter", machte Dellwo deutlich. Wer sagt, dass die Skipiste auch künftig mitten im Hang enden muss? Eine Sesselliftanlage könnte sommers wie winters Wanderer und Skifahrer hoch aufs Plateau bringen. Das ist zwar noch Zukunftsmusik, aber im Zweckverband Wintersport, Natur- und Umweltbildungsstätte Erbeskopf macht man man sich über künftige Nutzungen Gedanken.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort