Zeitlupe am Steuer

Wenn es um Tempo-Limits geht, sind viele Autofahrer ja blind. An die Schrittgeschwindigkeit in der Spielstraße ("verkehrsberuhigter Bereich") meines Stadtteils jedenfalls halten sich die wenigsten. Umso boshafter war deshalb zunächst meine Genugtuung, als ich beobachtete, wie ein Polizist im grünen PKW auf dem Seitenstreifen parkte, einen Blitzer montierte und sich wieder ins Auto verzog, um auf die vielen Verkehrssünder zu warten, die in die Radarfalle tappen würden.Doch tappte niemand in die Falle.

Obwohl ich schwören könnte, dass sich 95 Prozent aller Busfahrer und die Hälfte aller Autofahrer nicht an das vorgeschriebene Schritttempo und einige sich nicht einmal an Tempo 30 halten, geschieht alle paar Wochen eine seltsame Verwandlung mit dieser Straße. Kaum steht die Polizei da, schleichen die Wagen vorbei. Wie in Zeitlupe. Plötzlich ist niemand mehr blind. Der kleine Knipser findet mehr Beachtung als das große Tempo-Schild. Alle wittern die Falle. Und erst kurz vorher bremsen sie kräftig ab. Ich brauche das altbekannte grüne Fahrzeug gar nicht zu sehen, um zu wissen: Es ist wieder da. Die Leute übertreiben es mit der Langsamkeit — ich sehe die Autos kriechen, Motoren stottern wie kurz vor dem Absaufen, die Fahrer blicken scheinheilig unschuldig zum Fenster hinaus — sie haben ja alle Zeit der Welt und danken der Polizei insgeheim dafür, dass die sich so auffällig am Straßenrand postiert. Lustig wäre es vielleicht, das Spiel einmal mitzuspielen und einen großen grünen Ford weithin sichtbar neben der Fahrbahn zu parken.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort