Zur Glocke: Urigkeit bleibt eine Zier

Die Übergabe an die neue Generation ist eingeläutet: Oswald Steines tritt in die Fußstapfen von Josef "Glocken-Jupp" Berens und nimmt die Geschicke der Kneipe Zur Glocke in die Hand. Fünf Jahre lang war er Sozialarbeiter an der Dualen Oberschule in Wittlich.

Trier. Der "Willi" kommt künftig aus Wintersdorf, und statt Baileys schlürfen die Damen nun Cappuccino-Likör. Doch wer denkt, dass ein neuer Wind in der Glockenstraße 12 weht, der irrt. Punktuell soll sich hier und da etwas ändern, kündigt der neue Betreiber Oswald Steines an. Der charmant-urige Charakter soll dem Familienbetrieb weiterhin zu Eigen sein.

Nachdem der 37-Jährige ein Jahr lang als Stellvertreter die Geschäftsleitung der Gaststätte Zur Glocke inne hatte, wird der Mann von Josef Berens' Nichte Sylvia nun die Geschicke der Kneipe ganz in seine Hände nehmen. Die Konzession behält allerdings weiterhin Annemarie Simon, die Schwester von Josef Berens. Nach dessen Tod 2003 hatte sie den Betrieb übernommen.

Nun ist sie 68 Jahre alt und erleichtert, dass die Last auf mehrere Schultern verteilt wird. "Sie ist aber nach wie vor die Seele des Hauses"- darauf legt Steines wert.

Küche bleibt gutbürgerlich



Klar ist ihm, dass er in große Fußstapfen tritt. Josef Berens alias "Glocken-Jupp" hatte die Gaststätte von seinem Vater geerbt und als Trierer Original weitergeführt. Nach dem Motto "Anderen geht's viel schlechter" begrüßte er jeden Tag die Gäste in seinem Traditionslokal.

Bereits seit 1928 ist das Haus in Familienhand. "Ich würde aber nie versuchen, jemanden zu kopieren oder in der Vergangenheit zu leben", sagt Steines.

Denn die Gastronomie habe sich verändert. Mit der Zeit zu gehen, das bedeutet für ihn zum Beispiel die Einrichtung einer Internetseite und einer E-Mail-Adresse. "Da hätte der Jupp gesagt ,Wat is dat denn?'", bemerkt Steines und lacht. Was die Speisen betrifft, so sollen künftig auch die Vegetarier nicht zu kurz kommen. "Da hätte der Josef auch geschmunzelt."

Steines hat bereits Sonderaktionen angestoßen - Geflügel- oder Salatwochen zum Beispiel. Regionale Produkte sollen es wenn möglich sein. Und vielleicht erhalten die sogar hier und da einen Hauch Exotik. Steines ist in Ehrang geboren, hat aber viele Jahre in Südamerika gelebt. Aber keine Angst: "Crossover-Küche mag ich nicht." Es bleibt also gutbürgerlich. Schließlich setzt Steines weiterhin auf seinen bewährten Koch.

Von der Getränkekarte sind indes mittlerweile ein paar "Schläfer" geflogen. Die Kehlen der Gäste fließen also neue Weine und Schnäpse hinunter. Doch am Haus selbst will Steines nichts ändern. "Gut, die eine oder andere Elektroleitung muss erneuert werden, damit uns nicht mehr ständig die Sicherungen rausfliegen", sagt er und lacht. Er wolle weiterhin, dass sich alle Generationen in der Glocke wohl fühlen - vom Studenten bis zum Rentner-Ehepaar.

Ursprünglich ist Steines Pädagoge, hat unter anderem fünf Jahre lang als Schulsozialarbeiter an der Dualen Oberschule Wittlich und zuletzt für den Palais e.V. gearbeitet. Nebenbei bildete er sich zum Betriebswirt fort. "Aber mein Kindheitswunsch war es, Koch zu werden", verrät er. Dazu will er nun ein Fernstudium starten.

In der Glocke arbeitet er schon seit sechs Jahren, hat dort gar seine Frau Sylvia kennengelernt. Von einem Pfarrer, der selbst ein Stammgast war, ließen sie sich trauen und leben nun mit ihren beiden Kindern über der Gaststätte. Ein Leben in und mit der Glocke.

Nach einem Jahr Bedenkzeit will Steines entscheiden, ob er das Geschäft ganz übernehmen will. Wenn ja, dann soll auch ein großes Fest steigen. Mit "Willi" aus Wintersdorf.

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