Zurück zur Kunst

Bernkastel-Kues · Nach zehn Jahren in Bernkastel-Kues sucht der deutsch-türkische Maler Ihsan Ece eine neue künstlerische Heimat. Für seinen kritischen Realismus fand der Meisterschüler der Düsseldorfer Kunstakademie in der Kleinstadt wenig Gehör.

Bernkastel-Kues. Ihsan Ece sitzt an der Ladentheke in seinem Edelsteingeschäft und fädelt Steine für eine Kette auf einen Faden. Dort, wo er heute Touristen Edelsteinschmuck verkauft, war früher sein Atelier. Doch Kunst verkaufte sich in Bernkastel-Kues nicht gut genug, um als alleinerziehender Vater für sich und zwei Kinder den Lebensunterhalt zu verdienen.
Bekannt geworden ist Ihsan Ece in den 80er Jahren mit kritischen Bildern und Schriften zur Situation der Gastarbeiter. Er selbst bezeichnet sich als Düsseldorfer Maler. Der Weg, der ihn nach Bernkastel-Kues führte, war verschlungen. In Istanbul geboren, kam er 1970 als Gastarbeiter nach Deutschland. Sein Plan: Mit einem deutschen Ingenieurstudium in der Tasche wollte er in seine türkische Heimat zurückkehren.
Doch es kam anders. Zwei Jahre arbeitete er in Köln als Industriearbeiter. Dann tat er, wozu er sich eigentlich bestimmt fühlte. Er bewarb sich an der Düsseldorfer Kunstakademie und wurde angenommen. Kein geringerer als Gerhard Richter, einer der erfolgreichsten Maler der Gegenwart, nahm ihn zum Schüler.
Doch das Verhältnis zwischen ihnen war gespannt. Ein Porträt, das Ihsan Ece von dem berühmten Maler angefertigt hat, spricht davon. Es hängt im Edelsteinladen. Ece hat zwei dicke Pinselstriche kreuzweise durch Richters Gesicht gezogen. Ein Ausdruck seiner Wut. In der künstlerischen Auseinandersetzung fanden Lehrer und Schüler nicht zusammen. Ece wechselte den Professor und erhielt die verdiente Anerkennung. 1976 ernannte ihn die Akademie zum Meisterschüler.
1978 eröffnete er sein Atelier in Düsseldorf, später eins in Köln. Dort entstanden seine realistischen und expressionistischen Werke, mit denen er gegen Unterdrückung, Isolation und Gewalt anging. Im Mittelpunkt seiner Gemälde, Radierungen und Objektkunst steht immer die menschliche Figur, vor allem der Ausländer in Deutschland. Ece wurde bekannt. 1981 berichtete das Magazin Stern über ihn als ausländischen Künstler unter dem Titel "Bilder aus der Isolation".
Seit 1994 besitzt Ece die deutsche Staatsbürgerschaft. Seine Bewunderung für die deutsche Kultur paart sich bei ihm mit einem kritischen Blick auf die deutsche Gesellschaft. Seine Zeichnung "Der freundliche Mitarbeiter" zeigt einen Gastarbeiter in Fesseln. "Ich erzähle, was ich erlebe", sagt Ece.
Die Scheidung von seiner Frau brachte der Karriere einen tiefen Einschnitt. Denn Ece ging mit seinen Kindern zurück in die Türkei, wo er nicht an seinen Erfolg anknüpfen konnte. Er kam zurück in seine künstlerische Heimat Deutschland, diesmal per Zufall nach Bernkastel, große Pläne im Gepäck. Ece träumte davon, mittels seiner Kontakte eine Kunstmesse an der Mosel zu etablieren.
Doch weder aus seinem Atelierbetrieb noch aus der Messe wurde etwas. "Ich mache in Bernkastel keine Kunst mehr", beschloss er. 2009 hat er sein letztes Bild gemalt, "Tausende Bilder" eingemottet. Jetzt packt Ece für Heidelberg. Dort versucht er einen Neustart. Die Stadt erfülle die wichtigen Kriterien: Sie sei inspirierend, groß und ziehe viele Touristen als potenzielle Käufer seiner Bilder an. Im Juni ist es so weit. Dann erfüllt sich sein größter Wunsch: Ihsan Ece kehrt zurück zur Kunst.
Extra

1949 wird Ihsan Ece in Istanbul geboren. 1970 kommt er als Gastarbeiter nach Deutschland. 1972 bis 1978 studiert er Kunst an der Düsseldorfer Kunstakademie. Zwischen 1973 und 2006 stellt er jährlich mehrfach aus. 1994 bekommt Ece die deutsche Staatsbürgerschaft. 2002 zieht er nach Bernkastel-Kues. Ihsan Ece ist Mitglied des Bundesverbandes Bildender Künstler. sys Kontakt: Ihsan Ece, Am Kirchhof 10, Telefon 06531/972644, Homepage: www.ihsanece.de. E-Mail: aytano@hotmail.com

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